Mehrere soziale Verbände in Deutschland begrüßen den Plan der Bundesregierung, pflegende Angehörige durch ein Pflegegeld finanziell besser zu unterstützen.
Der Sozialverband Deutschland (SoVD) fordert konkret die „Einführung einer Entgeltersatzleistung für Pflegezeiten mindestens in Höhe des Elterngeldes“, sagte die SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Nur so könne sichergestellt werden, dass Pflegende während einer beruflichen Auszeit finanziell besser abgesichert sind.
„Ein reines Pauschalmodell würde der sozialen Realität vieler Pflegender nicht gerecht. Stattdessen braucht es eine sozial gestaffelte Lösung mit klarer Ober- und Untergrenze, die sich am vorherigen Einkommen orientiert“, sagte Engelmeier. Ziel müsse sein, dass Menschen sich ohne Existenzangst um ihre Angehörigen kümmern könnten. „Pflegende Angehörige erbringen den Mammutanteil der Pflegeleistungen in Deutschland. Ohne ihren unermüdlichen Einsatz würde die Versorgung Hunderttausender Pflegebedürftiger schlichtweg zusammenbrechen“, so die SoVD-Chefin. „Es ist daher dringend notwendig, ihre Situation strukturell zu verbessern.“
Engelmeier reagierte damit auf Äußerungen von Bundesfamilienministerin Karin Prien (CDU), die gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe erklärt hatte, Deutschland habe ein „riesengroßes Interesse“ daran, dass eine solche Leistung komme.
Zuspruch für ein Familienpflegegeld gab es auch vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. „Das Pflegegeld sollte analog zum Elterngeld ausgestaltet sein“, sagte dessen Hauptgeschäftsführer Joachim Rock den Funke-Zeitungen. „Die Orientierung dabei ist ein Anteil von 65 Prozent des letzten Nettoeinkommens, mindestens aber 300 und maximal 1.800 Euro.“ Vier von fünf Pflegebedürftigen würden zu Hause versorgt. „Dass das so bleibt, ist keine Selbstverständlichkeit. Pflegende Angehörige müssen deutlich stärker unterstützt werden“, sagte Rock.
Wenn Angehörige ihre Erwerbstätigkeit wegen der Pflege einschränken oder ganz aufgegeben, sei dies für die pflegenden Angehörigen ein erhebliches Armutsrisiko, warnte auch Markus Sutorius, Jurist des BIVA-Pflegeschutzbunds: „Der Lohnersatz sollte den Namen verdienen, also den finanziellen Verlust ausgleichen. Man kann hierzu ein mittleres Einkommen zugrunde legen“, so Sutorius zu den Funke-Zeitungen. Die Pflege durch Angehörige müsse finanziell aufgewertet werden. „Es braucht Anreize für pflegende Angehörige, diese wichtige Arbeit zu übernehmen.“
Bedenken, was ein Familienpflegegeld angeht, äußerte hingegen der Gesundheitsökonom Jürgen Wasem von der Universität Duisburg-Essen. „Bei dem Konzept des Familienpflegegelds besteht die Gefahr, dass Anreize zur Arbeitszeitreduzierung gesetzt werden, obwohl eine Vereinbarkeit von Pflege und Beruf bestünde. In Zeiten des Fachkräftemangels sind solche Maßnahmen gesamtwirtschaftlich nicht sinnvoll“, sagte Wasem den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Eine solche Leistung könnte dem Experten zufolge auch neue Ungerechtigkeiten schaffen. So könnte eine Kopplung des Familienpflegegelds an den zuvor erzielten Lohn wie auch beim Elterngeld zu fragwürdigen Umverteilungswirkungen und zu Ungleichbehandlungen von unterschiedlichen Haushalten mit pflegebedürftigen Personen führen, erklärte Wasem weiter. „Gerade Bezieher relativ hoher Einkommen könnten eine Pflegeauszeit aus eigenen Mitteln finanzieren, werden aber mit dem Familienpflegegeld auch von Bürgern mit geringeren Einkommen finanziert“, so der Gesundheitsökonom.