In der Stahlbranche ist gerade Krisenstimmung, aus Sicht von Salzgitter ist Geld vom Staat aber keine Lösung. „Wir brauchen fairen Wettbewerb und keine Dauersubventionen“, sagte Salzgitter-Chef Gunnar Groebler, der FAZ. „Fördergelder sind Investitionen in den Standort. Darüber ist mit den dann gewählten Parteien eine Diskussion zu führen“, kündigt er mit Blick auf die Bundestagswahlen an.
Auch von der EU erwartet Groebler, der seit September Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl ist, Unterstützung, und zwar mit Blick auf die Stahlschwemme aus China, mit der die Branche seit einiger Zeit konfrontiert sei. „Das sind Dumpingpreise. Dem gilt es auf EU-Ebene einen Riegel vorzuschieben. Das können Zölle sein oder andere Schutzmaßnahmen.“
Gleichzeitig erwartet Groebler aufgrund der geopolitischen Situation, dass die Handelsbarrieren insgesamt zunehmen werden – und er warnt: „Wenn Europa sich nicht auf diese Herausforderung einstellt, dann werden wir die Opfer des heutigen Freihandelssystems werden.“
Der 52 Jahre alte Groebler, der bis zum Jahr 2021 beim Energiekonzern Vattenfall für das Windenergie-Geschäft verantwortlich war, sieht die Politik zudem mit Blick auf die Verwendung von Grünstahl in der Pflicht. Solange der „graue Stahl“, der auf klassische Weise in mit Koks befeuerten Hochöfen geschmolzen wird, wegen der niedrigen CO2-Preise noch viel günstiger sei als Grünstahl, brauche es Hilfen, damit sich der grüne Stahl durchsetzen könne. Dann bleibe die Wertschöpfung in Europa und es finde ein Rückfluss der Steuergelder statt, die in die Transformation geflossen seien, so sein Argument: „Das ist volkswirtschaftlich sinnvoll.“
Helfen könnten dabei „grüne Leitmärkte“ erklärt Groebler – etwa im Bereich öffentliche Beschaffung oder auch durch die Gestaltung von Regeln in anderen Branchen. „Ob es Brücken sind oder U-Bahnen – überall ist Stahl im Einsatz. Dafür sollte es Vorgaben geben, dass der klimafreundlich hergestellt sein soll. Oder schauen Sie in die Automobilindustrie: Da wird für die Berechnung des Flottengrenzwerts nur herangezogen, was durch den Tank geht. Wenn man auch das Fahrzeug selbst berücksichtigen würde, könnte man Anreize schaffen, schon bei der Produktion CO2 zu reduzieren, zum Beispiel durch Verwendung von Grünstahl.“
Auch die Energiebranche führt der Stahlmanager an. In anderen Ländern werde etwa bei der Ausschreibung von Offshore-Windparks gefordert, dass für die Windräder oder Transformatoren grüner Stahl eingesetzt wird.
Salzgitter, der nach Thyssenkrupp zweitgrößte Stahlhersteller in Deutschland, bleibt nach Groeblers Worten mit der Transformation zur Grünstahlproduktion im Plan: „2033 sollen alle drei Hochöfen ersetzt sein.“ Dabei hat Salzgitter durchaus mit Rückschlägen zu kämpfen – auch wenn der Konzern schon Anfang 2023 eine Förderzusage über rund einer Milliarde Euro bekommen hat. „Wir sind davon ausgegangen, dass wir bis 2026 eine Wasserstoffpipeline zum Standort Salzgitter haben werden. Jetzt wird die Leitung erst 2029 kommen. Dies ist ein Beispiel, wie politische Veränderungen ein solches Transformationsprogramm verzögern können.“
Unterdessen hat sich Salzgitter für die Transformation hoch verschuldet – weil im Vertrauen auf die Fördermilliarde selbst Investitionen in der Größenordnung von 1,3 Milliarden Euro geplant wurden. Die Banken stünden fest zum Transformationsprojekt mit dem Namen „Salcos“, sagte Groebler er FAZ: sie hätten den Konsortialkredit vorzeitig bis zum Jahr 2030 verlängert, zu denselben Konditionen wie bisher: „Das ist schon ein starkes Signal.“
Groebler sieht daher auch keine Notwendigkeit, das große Aktienpaket am Kupferhersteller Aurubis im Wert von mehr als einer Milliarde Euro den Banken als Sicherheit zu vermachen, oder es gar zu verkaufen: „Diese Frage stellt sich nicht. Aus dem Blickwinkel des Aufsichtsrats bei Aurubis kann ich sagen: Ich bin mit der Performance des Unternehmens sehr zufrieden und unterstütze die Strategie. Sicher, es gab dort in den letzten 24 Monaten schwierige Zeiten. Aber die neuen Vorstände wirken sehr positiv ins Unternehmen und führen es mit ruhiger Hand.“
Dass der Drogerieunternehmer Dirk Roßmann mittlerweile zum zweiten Großaktionär von Salzgitter geworden ist, will Groebler nicht im Detail kommentieren. „Ich freue mich, wenn Herr Roßmann meinen Blick auf Aurubis teilt und Potential in diesem Unternehmen sieht. Aber er fragt mich nicht um Rat und ich möchte mich ungern an Spekulationen über seine Absichten beteiligen. Ich habe aktuell auch keinen Kontakt zu ihm.“
Trotz aller Krisen plant Salzgitter keinen Stellenabbau im großen Stil, anders als Thyssenkrupp, wo 11.000 Arbeitsplätze zur Disposition stehen. „Natürlich haben wir schwierige Zeiten und schauen uns an, welche Prozesse wir effizienter machen können, und dies betrifft punktuell auch das Personal. Ein Programm wie bei Thyssenkrupp gibt es bei uns aber nicht“, sagte Groebler der FAZ. „Vor allem würden wir das vorab mit unserer Mitbestimmung klären, bevor wir damit an die Öffentlichkeit gehen. Wir haben das Thema Effizienz immer vorangetrieben. Und vielleicht ist das der Grund, warum wir nicht so stark in die Speichen greifen müssen.“
Foto: Stahlproduktion (Archiv) [dts]