Der Schauspieler Matthias Brandt, jüngster Sohn des ehemaligen Bundeskanzlers Willy Brandt (SPD), blickt mit „Mitleid und Sorge“ auf den historischen Kniefall seines Vaters 1970 in Warschau.
Er wisse, dass diese Perspektive wegen der Bedeutung der Geste für die Bundesrepublik nicht zulässig sei, sagte Brandt dem „Spiegel“. „Aber rein persönlich, als Mensch, der seinen Vater betrachtet, tut es mir weh, Fotos oder eine Filmaufnahme davon zu sehen.“
Am 7. Dezember 1970 war der damalige Bundeskanzler Willy Brandt am Mahnmal für die Opfer des Aufstands im Warschauer Ghetto auf die Knie gefallen. Er habe „Abbitte“ tun wollen „für ein millionenfaches Verbrechen, das im missbrauchten deutschen Namen verübt“ worden sei, so erklärte Willy Brandt damals seine Geste. Sein Sohn sagte darüber: „Mir fällt es schwer, mir das anzusehen, weil ich mich frage, warum hat ausgerechnet er sich das aufgeladen.“
Matthias Brandt wird in diesem Jahr die zentrale Rede bei der Gedenkfeier zum Jahrestag des Attentats auf Hitler am 20. Juli 1944 halten. Seine Eltern Willy und Rut Brandt waren selbst zunächst in Norwegen und später in Stockholm im Widerstand gegen Hitler, Willy Brandt hatte auch Kontakte zu Widerstandskreisen in Deutschland, er war bereits 1933 aus Deutschland geflohen.
„Natürlich hat diese Entscheidung ihn und auch mich geprägt. Ich kann es mir nicht anders vorstellen, als dass auch für seine spätere Politik alles von dort ausgestrahlt hat“, sagte Matthias Brandt dem „Spiegel“. „Weil seine Kanzlerschaft schon mehr als 50 Jahre zurückliegt, ist vielen gar nicht bewusst, dass damals ein ehemaliger Flüchtling Regierungschef wurde. Ein Mann, der im Ausland Asyl gefunden hatte und für den es schlecht ausgesehen hätte, wenn ihm das nicht gewährt worden wäre. Gerade jetzt finde ich es wichtig, daran zu erinnern.“
Brandt sagte, er halte die Rede auch aus dem Gefühl heraus, dem Aufstieg der AfD etwas entgegenhalten zu wollen. „Für mein Gefühl stecken wir immer noch in einer Art Lähmung, weil wir es nicht gewohnt sind, mit solchen Kräften umzugehen“, so Brandt. „Das ist vielleicht der entscheidende Unterschied zu Menschen wie meinen Eltern. Die kannten sich mit Rechtsextremen einfach besser aus und waren bemerkenswert unängstlich. Wenn ich an meinen Vater denke, denke ich an einen – zumindest was das betrifft – angstfreien Menschen.“