Im Jahr 2023 sind in Deutschland rund 128.000 junge Menschen in einem Heim und weitere rund 87.000 in einer Pflegefamilie betreut worden. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) am Dienstag mitteilte, wuchsen damit etwa 215.000 Kinder, Jugendliche oder junge Erwachsene – zumindest zeitweise – außerhalb der eigenen Familie auf. Das waren rund 7.500 oder vier Prozent mehr als im Jahr zuvor.
Damit ist die Zahl der Betroffenen erstmals seit 2017 wieder gestiegen, nachdem sie zwischen 2018 und 2022 um zusammen rund 33.000 Fälle zurückgegangen war. Der Anstieg ist fast ausschließlich auf unbegleitet eingereiste Minderjährige zurückzuführen, die – nach einer vorübergehenden Inobhutnahme durch die Jugendämter – verstärkt in Heimen, betreuten Wohnformen oder Pflegefamilien untergebracht werden: Lässt man diese Fälle unberücksichtigt, lag das Plus von 2022 auf 2023 bei nur 0,1 Prozent (+121 Fälle).
Insgesamt wurden 2023 rund 20.500 junge Menschen nach einer Inobhutnahme nach unbegleiteter Einreise in einem Heim oder einer Pflegefamilie betreut. Das waren zehn Prozent aller Fälle und rund 7.400 Fälle mehr als im Vorjahr, als der Anteil bei sechs Prozent gelegen hatte.
Im Langzeitvergleich nahm die Zahl der jungen Menschen, die (zeitweise) außerhalb der eigenen Familie lebten, seit Beginn der Zeitreihe 2008 stetig von 152.000 auf den Höchststand von 240.000 Betroffenen im Jahr 2017 zu, so das Bundesamt. Danach sank sie auf 207.000 Fälle im Jahr 2022, um 2023 erneut moderat zu wachsen.
Für die betroffenen jungen Menschen endete die Betreuung außerhalb der eigenen Familie durchschnittlich nach 2,4 Jahren. Während die Unterbringung in einem Heim im Schnitt 1,8 Jahre dauerte, waren es in einer Pflegefamilie 4,2 Jahre. Insgesamt wuchsen etwas mehr Jungen (55 Prozent) als Mädchen (45 Prozent) außerhalb der eigenen Familie auf.
Die Eltern der betroffenen jungen Menschen waren in fast jedem zweiten Fall (48 Prozent) – und damit besonders häufig – alleinerziehend. Bei jeweils knapp einem weiteren Fünftel der Herkunftsfamilien handelte es sich um zusammenlebende Elternpaare (18 Prozent) oder Elternteile in neuer Partnerschaft (17 Prozent). In den verbleibenden Fällen – zum Beispiel in den Betreuungsfällen nach unbegleiteter Einreise – waren die Familienverhältnisse unbekannt (15 Prozent) oder die Eltern verstorben (zwei Prozent).
Etwa die Hälfte (52 Prozent) der jungen Menschen, die 2023 außerhalb der eigenen Familie aufwuchsen, waren jünger als 15 Jahre. Minderjährig waren fast vier Fünftel der Betroffenen (79 Prozent). Ein weiteres Fünftel (21 Prozent) waren sogenannte „Careleaver“, also junge Volljährige, die sich am Übergang aus der öffentlichen Erziehungshilfe in ein selbstständiges Leben befanden. Während jüngere Kinder bis elf Jahre häufiger in Pflegefamilien betreut wurden, überwog ab dem zwölften Lebensjahr die Heimerziehung.
60.900 junge Menschen waren 2023 neu in einem Heim oder einer Pflegefamilie untergebracht worden. Hauptgrund war mit 30 Prozent der Ausfall der Bezugsperson der jungen Menschen (Unversorgtheit), etwa infolge einer unbegleiteten Einreise aus dem Ausland oder der Erkrankung eines Elternteils. Mit Abstand an zweiter Stelle stand 2023 die Gefährdung des Kindeswohls durch Vernachlässigung, körperliche Misshandlung, psychische Misshandlung oder sexuelle Gewalt (15 Prozent). Dritthäufigster Grund für eine neue Unterbringung war die eingeschränkte Erziehungskompetenz der Eltern (zwölf Prozent), beispielsweise durch Erziehungsunsicherheit oder pädagogische Überforderung.
Foto: Kindernotdienst (Archiv) [dts]