Trotz der Sanktionen gegen Russlands Handelsflotte erreichen weiterhin zahlreiche Schiffe aus dem Land deutsche Seehäfen und Schleusen. Seitdem die Europäische Union wegen des Angriffs auf die Ukraine Schiffe unter russischer Flagge ausgesperrt hat, hat Deutschland in 132 Fällen Ausnahmegenehmigungen von dieser Vorschrift erlassen. Das berichtet der “Spiegel” unter Berufung auf das zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle.
2022 durften demnach 80, vergangenes Jahr 38 und seit Jahresbeginn 14 russische Schiffe die Bundesrepublik anlaufen. Zur Einordnung: 2021, vor Inkrafttreten der Sanktionen, gab es 365 Ankünfte in deutschen Häfen. Die Ausnahmen für die insgesamt rund 2.800 Schiffe starke russische Flotte betreffen überwiegend Kauf, Einfuhr und Transport landwirtschaftlicher Produkte wie Düngemittel, Lebensmittel oder medizinisch-pharmazeutischer Waren. Genehmigungen gibt es auch für Rohstoffe oder chemische Erzeugnisse. Viele Ausnahmen behandelten zudem den Nord-Ostsee-Kanal, der Schleswig-Holstein etwa in der Mitte teilt.
Benjamin Hilgenstock, Sanktionsexperte an der privaten ukrainischen Kyiv School of Economics, kritisiert die Genehmigungen. Der Seehandel mit der Europäischen Union sorge zwar nur für einen kleinen Teil der russischen Exporterlöse, aber beim Durchsetzen der Strafmaßnahmen gehe es auch um “eine Frage der Glaubwürdigkeit”. Die Einfuhren seien aus europäischer Sicht schlicht überflüssig: “Wir sind nicht auf das angewiesen, was auf diesem Weg aus Russland kommt”, sagte er. Die sieben führenden Industrienationen (G7) halten die Ausnahmen für notwendig.
Foto: Hamburger Container-Hafen (Archiv) [dts]