Ökonomin Neyer erwartet vorerst keine weiteren Zinssenkungen der EZB

Die Düsseldorfer Professorin für monetäre Ökonomik, Ulrike Neyer, erwartet vorerst keine weiteren Zinssenkungen mehr. „Stand heute erwarte ich nicht, dass die EZB im Juli die Zinsen weiter senken wird“, sagte die Wirtschaftswissenschaftlerin der „Rheinischen Post“ (Dienstagsausgaben).

„Die jüngste Senkung der Zinsen war richtig, die Inflation hat sich gegenüber dem Vorjahr deutlich verringert. Aber die Unsicherheit ist groß. Inflationsrisiken gehen vor allem vom Arbeitsmarkt aus. Arbeitskräfte sind knapp und können immer höhere Löhne durchsetzen. Doch auch die derzeitige geopolitische Lage birgt Inflationsgefahren.“

Die Finanzexpertin, die an der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität Volkswirtschaftslehre unterrichtet, kritisierte das Verhalten der Banken in der jetzigen Zinsphase. „Private Banken parken gewaltige Summen bei der EZB, in der Spitze waren es über 4.500 Milliarden Euro, aktuell noch 3.200. Das ist die Folge der jahrelangen lockeren Geldpolitik, die, wenn auch nicht in dem Ausmaß, nötig war. Die hohen Zinsen bescheren den Banken enorme Zinsgewinne: Bei vier Prozent auf 4.000 Milliarden Euro sind das 160 Milliarden Euro im Jahr. Nutznießer sind auch deutsche Banken.“

Eine Steuer auf die Sondergewinne lehnt die Ökonomin indes ab. „Von einer Extra-Steuer halte ich nichts. Wo fängt man an, wo hört man auf? Beim Impfstoffhersteller Biontech hat man auch hohe Gewinne zugelassen. Banken sollen Gewinne machen.“ Trotzdem will sie den Banken nicht den gesamten Gewinn lassen. Neyer: „Die EZB kann den Zinssatz splitten: Die aktuell hohen Zinsen gibt es nur noch auf einen Teil der Einlagen der Banken bei der EZB, für die anderen gibt es zum Beispiel nur den halben Satz.“

Die Düsseldorfer Wirtschaftsexpertin ist gegen eine Lockerung der staatlichen Schuldenbremse. Die großen Herausforderungen könne man auf andere Weise lösen. Neyer: „Man könnte für die Klimainvestitionen ein Sondervermögen erlauben, das kann der Bundestag mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit beschließen. Auch für die Ukraine-Hilfe würde sich ein Sondervermögen á la Bundeswehr anbieten.“

Dagegen hält sie mehr Schulden in Europa für möglich. „Investitionen in bestimmten Bereichen wie Verteidigung, Klimaschutz, grenzüberschreitender Infrastruktur sollten gemeinsam über die Ausgabe einer europäischen Anleihe finanziert werden“, sagte die Professorin.

Foto: EZB (Archiv) [dts]

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