Kunstgespräch am Sonntag im Schaschlik Haus Rostock.

Ist das Kunst, oder kann das weg?

Am 23.04.2023 fand das „Kunstgespräch am Sonntag“ vom Kunstverein Rostock im Schaschlik Haus Rostock statt.

Im folgenden Beitrag wird das Empfinden des Journalisten wieder gespiegelt und daher nicht die übliche Form eines Pressebeitrages beibehalten.

Das Künstlerduo Christ Mukenge und Lydia Schellhammer präsentierten ein Teil Ihrer Arbeiten zum Thema „Lichtenhagen 1992“.

Aus meiner Sicht war die Veranstaltung ein voller Erfolg, warum der provokante Titel des Beitrages? Nun zu meiner Person, Ich hatte bislang wenig Berührungspunkte mit der Kunst, da ich selber nicht kreativ bin. Ich habe vorher Kunst eher mal im Internet, Fernsehen oder auf Bildern gesehen. Wenn ich mir so einige Werke betrachtet habe, verstand ich nie, warum solche Werke so teuer sein können.
Bislang dachte ich, dass sowas eher eine Geldanlage ist und mit bestimmten Tricks man hier den Fiskus umgehen kann. Aber bei der Veranstaltung und dem vorherigen Kontakt mit dem Künstlerduo habe ich erst gelernt, dass hier noch viel mehr hinter steckt.

Es ist auch nicht nur die besondere politische Thematik zu Lichtenhagen 1992, was aus meiner Sicht ein schwieriges Thema ist, um hier ein Kunstwerk zu gestalten, was man genießen kann.
Es ist auch nicht nur die viele Recherchearbeit, die im Vorfeld betrieben werden muss, um dann kreativ zu werden. Nein, es ist dann noch eine Kunst für sich, es auf eine Art schön und auf eine andere Art so zu gestalten, dass es zum Nachdenken anregt. Aber auch das ist es nicht. Man muss, egal wie kompliziert das Thema ist, dann es auch noch so einfach wie möglich gestalten, um so viele Leute wie möglich mit dem Kunstwerk zu erreichen.


Das Bild: „Die Deutsche Antilope“ als Beispiel entstand aus einer Geschichte. Als Christ das erste Mal in Deutschland war und ein Reh gesehen hat, fragte er seine Frau Lydia, wie das Tier heißt. Da Lydia in diesem Moment nicht wusste, was Reh auf Französisch heißt, sagte sie zu ihm, das sei eine deutsche Antilope. Dieser Humor zeigt, dass es aufgrund verschiedener Sprachen es Hindernisse gibt in der Kommunikation zwischen den Menschen und hier mit Humor dieses Hindernis überwunden wurde.
Jedoch hat das Kunstwerk keine Sprache und wird deshalb auch von jedem Menschen verstanden. Man kann nun hineininterpretieren als Beispiel, dass Rehe und Antilopen sich sehr ähnlich sehen und gar nicht so unterschiedlich sind als Paarhufer. Dies jedoch treffend zur Thematik ist, dass wir alle unterschiedlich sind, aber trotzdem egal woher wir kommen uns alle ähnlich sind und der Hass gegenüber Mitmenschen ein unsichtbares Hindernis ist, was wir uns selber auferlegen.

Diese Grenze ist jetzt nicht für Jeden sichtbar. Jeder Redner zu diesem Thema berichtet im Prinzip dasselbe, dass vor Lichtenhagen 1992 man die Ausländerfeindlichkeit gar nicht so mitbekommen hat, die in einigen Köpfen leider existieren. Denn es ist nicht nur ein großer Schatten, der auf den Stadtteil in Lichtenhagen fällt, sondern auch über 30 Jahre nach dem Anschlag auch immer noch ein aktuelles Thema ist.

Das Bild „Erinnern heißt Verändern“ passt daher als das treffendste Bild genau zu diesem Thema.
Die Symbolik der Sonnenblume auf dem Sonnenblumenhaus stand für Fortschritt und Wachstum, dass die Pflanze ursprünglich aus Mexiko nach Europa eingewandert ist (bewusste Wortwahl) macht es gleichzeitig zur tragischen Figur. Es wird zu einem von der rechten Szene bewusst benutzt, um auf Lichtenhagen 1992 hinzuweisen und somit missbraucht als der ursprünglichen Symbolik. Die Misshandlung der Symbolskulptur der Extremisten hat hierbei einen bitteren Beigeschmack und kennen wir ja auch aus der Geschichte.
Nun hat die Sonnenblume auf dem Bild vom Künstlerduo ein Hundehalsband mit Stacheln, was gefährlich aussieht um den Stängel. Dies ist die Last, was nicht nur die Sonnenblume tragen muss , sondern auch der Stadtteil Lichtenhagen.
Dann haben wir uns ein Video angesehen mit grafisch integrierten Highlights, was musikalisch untermauert wurde. Hier hat sich die Deutsche Antilope auch wieder gespiegelt, die hier im realen Umfeld des Gespensterwaldes (Nähe Rostocks) unter einer Symbolik der Deutschen Eiche wiederfand. Dieses Video muss man erstmal auf sich wirken lassen. Es sind viele kontroverse Reize miteinander verknüpft, die erstmal einem sprachlos machen. Es war für mich eine absolute neue Erfahrung, sowohl die Musik, als auch das hinauszögern, was natürlich für Spannung gesorgt hat, wo dann der Star „Die Deutsche Antilope“ plötzlich auftauchte und in dem Raum für ein staunendes Raunen sorgte.

Es waren auch Kinder anwesend, die Kunstinteressiert sind. Maria, 11 Jahre alt, besucht einmal wöchentlich einen Kunstkurs und ist sehr gut in der Schule. Sie konnte nun zwei richtige Künstler betrachten und sah, dass Kunst nicht nur malen ist, sondern auch recherchieren, künstlerisch gestalten, organisieren ,präsentieren und kommunizieren. Und dass es noch viel mehr gibt künstlerisch aktiv zu werden, als das klassische Farbe/Papier-Leinwand Spiel. Das auch mehr dazu gehört als eine Begabung, sondern auch Fleiß und Disziplin und das hierfür viele Künstler auch im privaten Bereich bereit sind Opfer zu geben, um dieses Leben führen zu können. Und dass der Weg, so schwer er auch sein mag, nur für wenige zum Erfolg führt.
An der Veranstaltung war auch eine Nails Art Künstlerin anwesend. Im Anschluss der Präsentation, haben sich einige und auch Männer dazu hinreisen lassen, sich die „Fingernägel“ zu lackieren. Dies wurde auch gerne angenommen. Und auch hier fand ich, dass die akademische Kunst, in dieser Form der Vermittlung (von wenigen)eher als anstrengend empfunden wurde. (über 1 Stunde, still sitzen und zuhören) den es waren auch Stammgäste aus dem Schaschlik Haus vor Ort und ein kleines Experiment sozusagen, die sonst mit Kunst gar nichts zu tun haben. Ich merkte, dass Sie für die Nail Art sich begeistern konnten. Sie fanden als Feedback, die Bilder schön und es hat Sie auch irgendwie erreicht. Aber so unterschiedlich wie wir Menschen sind, so unterschiedlich ist auch die Kunst und genauso wenig wie die Menschen untereinander sich manchmal nicht mögen, so erreicht auch jede Kunst nicht jeden Menschen.
Aber es zeigt, dass jeder Mensch irgendwo die Kunst und Kultur brauch, die zu einem passt, um glücklich zu sein. Jedoch denke ich, dass hier auch viel die persönliche Bindung zum Künstler, oder der Thematik der Kunst, egal ob echt oder eingebildet, hier eine wesentliche Rolle spielt. Aber auch, dass Kunst etwas bewirken kann, wenn sich schon gestandene Männer die Fingernägel lackieren lassen, die sonst so etwas nicht tun. Zeigt deren Bereitschaft, von Klischees, Vorurteilen und selbst auferlegten Grenzen, sich befreien lassen zu wollen und dass Ihnen die Veranstaltung äußerst gut gefallen hat.


Es gab im Anschluss dann noch ein kleines künstlerisches Highlight vom Schaschlik Haus für alle Gäste. Eine selbstgebackene und kreierte Torte mit einer großen Sonnenblume als Motiv, die sehr locker und einfach lecker war. Normalerweise geht es sonst in ein offenes Gespräch über. Aber wann hat man schon mal die Chance, echten Künstlern so nah zu sein. Neulinge haben da dann oft Angst sich zu blamieren und schweigen dann lieber, aber im direkten Kontakt, fällt es Ihnen leichter. Die Veranstaltung war von 15 Uhr bis 17 Uhr geplant, jedoch gingen die letzten Gäste und die Künstler erst gegen 21 Uhr. Es war nicht so steif wie sonst, sondern viel lockerer und eben halt anders. Nicht ganz so diszipliniert, mehr freundschaftlich.
Es haben sich auch mehrere Redner dran beteiligt. Der Vorstand vom Migrantenrat als Beispiel hätte es sich niemals träumen lassen, dass er mal in dieser Position sein würde. Und ihn diese Thematik beruflich begleitet. Er war der Meinung, dass hier viel mehr die Betroffenen zur Aufarbeitung solcher schweren Ereignisse, viel intensiver mit einbezogen werden müssen.

Eine Lichtenhagenerin der ersten Stunde, hatte sich im Vorfeld der Veranstaltung auch sehr viele Gedanken gemacht und uns daran teilhaben lassen, was auch sehr schön war. Das Künstlerduo hatte sich bei dieser Organisation sehr gut vorbereitet, wie man nun die Kunst in diesen Stadtteil bekommt, wo sonst Kunst eher ein Fremdwort ist.

Aber Kunst verbindet auch die Menschen und jeder Teilnehmer musste über seinen Schatten springen, egal ob Stammgast Kunstverein, oder Stammgast Schaschlik Haus, wo wirklich Welten dazwischen liegen, es der Kunst gleichzumachen und die Barrieren einzureißen und die Gemeinsamkeiten zu entdecken. Es gelingt vielleicht nicht immer, aber für diesen Tag, mit dieser Veranstaltung, war es ein guter Anfang.


Auch das Schaschlik Haus möchten gerne bei ähnlichen Formaten dabei bleiben und konnten hier erste Beziehungen aufbauen. Um Künstlern nicht nur eine Räumlichkeit vor Ort zu geben, sondern auch die Perspektive eröffnen, Menschen vor Ort zu erreichen.

Am folgenden Tag wurde überall auf dem Boulevard darüber gesprochen, sogar von Leuten, die gar nicht auf der Veranstaltung waren. Klingt komisch. Ist aber so! Also, die Neugier auf Kunst ist geweckt, daher bitte mehr davon!

Es schlummern hier im Stadtteil nicht nur tolle Nachwuchskünstler, sondern auch die härtesten Kritiker für Ihre Kunstwerke, die kein Blatt vor den Mund nehmen. Nehmen Sie die Herausforderung an, nicht immer nur die ohnehin Kunstbegeisterten mit Ihren Werken seelisch zu bereichern, sondern gerade die nicht Kunstbegeisterten, denn deren Kritik ist echt und führen Sie den Dialog mit Ihnen, um besser zu werden. Und das gilt nicht nur für Lichtenhagen, sondern überall, wo es nur geht.

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