Der ehemalige Ministerpräsident Thüringens, Bodo Ramelow (Linke), will dem Populismus in Deutschland mit mehr direkter Demokratie begegnen. „Ich bin vor allem ein Befürworter von mehr Volksabstimmungen, sich mehr einmischen zu können als nur am Wahltag“, sagte Ramelow der „Welt“ (Samstagausgabe). „Die Schweiz kommt damit doch gut zurecht.“
Mehr direkte Demokratie sei „das beste Mittel“ gegen Populismus. „Und ich bin überzeugt, dass die Krise des parlamentarischen Parteiensystems sich anders lösen würde, wenn wir das Standbein der Demokratie im Parlament ergänzen“, sagte der Linken-Politiker. „Und zwar um das Spielbein der Demokratie: Volksbegehren, Plebiszite, Bürgerräte und mehr Beteiligung, bei dem Bürger das Gefühl haben, wir sind Teil des Geschehens und nicht nur alle fünf Jahre aufgerufen, ein Kreuz zu machen.“
Ramelow kritisierte, dass es nach der deutschen Vereinigung keine Debatte und Abstimmung über eine neue Verfassung gegeben habe. Dazu sei das Land seiner Ansicht nach laut Grundgesetz Artikel 146 verpflichtet. „Diesen Schritt sind wir nach der Vereinigung nie gegangen. Das ist einfach nicht in Ordnung“, so Ramelow.
Da klaffe eine Lücke, die auch die deutsche Einheit behindere, sagte er weiter. „Das spiegeln die Wahlen: Die emotionale Seite der deutschen Einheit geht gerade krachen. Die wirtschaftliche hat sich gut entwickelt“, so Ramelow. Eine Volksabstimmung wäre „auch ein Signal, dass die Einheit keine ostdeutsche, sondern eine gesamtdeutsche Angelegenheit ist“. Das sei im Westen auch nach 34 Jahren nicht überall angekommen.
Foto: Bodo Ramelow am 12.12.2024 [dts]