Die Soziologin Jutta Allmendinger blickt besorgt auf die jüngst wieder sinkenden Geburtenzahlen in Deutschland. „Viele Mütter fühlen sich mit den Kindern total alleingelassen“, sagte die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin der „Süddeutschen Zeitung“.
Väter zögen bei der Gleichstellung oft nicht mit. „Vorbehalte gegen Kinder resultieren oft aus der berechtigten Sorge von Frauen, als Mutter den Großteil der Kosten zu tragen: schlechtere Karriereaussichten, ein niedrigeres Lebenseinkommen und geringere Rentenansprüche.“ Nur wenn auch die unbezahlte Arbeit zwischen Männern und Frauen aufgeteilt werde, könnten beide Kinder und Beruf verbinden. Allmendinger fordert tiefgreifende Steuer- und Sozialreformen: „Das Ehegattensplitting setzt den falschen Anreiz, nicht oder nur in geringem Maße berufstätig zu sein.“
Das Splitting bremse wie Minijobs oder die Witwenrente Frauen dabei, eine eigene Karriere zu verfolgen. „Es ist kein Zufall, dass Frauen in Deutschland viel häufiger in Teilzeit arbeiten als in anderen Ländern. Im Alter oder nach einer Scheidung stehen sie dann finanziell oft sehr schlecht da.“ Wenig berufstätig zu sein, erweise sich für viele als „Armutsfalle“.
Allmendinger schlägt eine Individualbesteuerung mit einem übertragbaren Grundfreibetrag vor, zusätzlich höhere Freibeträge für Kinder. Thorsten Frei, Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, verteidigt Regelungen wie das Ehegattensplitting: Eine Abschaffung „wäre eine gigantische Steuererhöhung gerade für Familien mit mittleren Einkommen, also das völlig falsche Signal“, sagte er. Die Ehe genieße in der Verfassung einen besonderen Schutz. Mit ihr gingen nicht nur Rechte, sondern auch Verantwortlichkeiten einher, etwa die Unterhaltspflicht.
„Wenn Ehepartner den Staat entlasten, sollte das auch steuerlich berücksichtigt werden“, so Frei.
Foto: Jutta Allmendinger (Archiv) [dts]