In einem vertraulichen Kabelbericht ans Auswärtige Amt kritisiert der deutsche Botschafter in Doha den zuletzt konfrontativen deutschen Katar-Kurs und fordert einen raschen Kurswechsel. „Deutschland verfügte in den vergangenen Jahren in Katar über einen erheblichen Vertrauensbonus“, heißt es in dem Schreiben von Botschafter Claudius Fischbach, wie der „Spiegel“ berichtet.
„Dieser Vertrauensbonus ist in den letzten Wochen verlorengegangen.“ Jüngste öffentliche Vorwürfe aus Deutschland, aber auch das Verhalten von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hätten im Golfstaat Verstörung hervorgerufen, kritisiert Fischbach. Katar sehe sich als Opfer „einer beispiellosen Medienkampagne, die jede Ausgewogenheit und jedes Augenmaß vermissen“ lasse. Zudem sei die Geste der deutschen Nationalmannschaft, sich auf dem Gruppenbild den Mund zuzuhalten, ebenso wie das Tragen der „One Love“-Binde durch die Ministerin „breit und durchgängig als Respektlosigkeit vor einer fremden Kultur kritisiert“ worden. Zwar habe Katar mit der jüngsten Ankündigung von Flüssiggaslieferungen ein politisches Zeichen gesetzt, schreibt der Botschafter, betont aber: „Die aktuelle Stimmung gegenüber Deutschland in hiesigen Wirtschaftskreisen, traditionell deutschfreundlich, wird mir als miserabel geschildert.“ Katar sei ein „seriöser politischer Spieler“, auf den Deutschland nicht verzichten könne. Es gehe um Energieversorgung, Konfliktmediation in einem schwierigen Umfeld und verlässliche Investorentätigkeit. „Dieses weite Panorama darf unser außenpolitisches Handeln gegenüber Katar nicht aus dem Blick verlieren.“ Um die Beziehungen zu retten, fordert Annalena Baerbocks Botschafter eine Abkehr von der Konfrontationsstrategie. Nötig seien nun eine „sehr hochrangige öffentliche Stellungnahme mit Anerkennung der bislang sehr guten Durchführung der Fußball-WM und Zufriedenheit über die neue LNG-Liefervereinbarung“. Wichtig sei zudem eine „Würdigung der im Verlauf der Vorbereitung auf die Fußball-WM erzielten Fortschritte in der Menschenrechtslage“ sowie eine Bekräftigung des Interesses an der Fortsetzung der „traditionell guten“ Beziehungen. Die tiefe Verstörung und Frustration in Katar sei „ernst zu nehmen“, so Fischbach. „Das LGBTQI+-Thema ist in der aktuellen Kontroverse von besonderer Bedeutung. Dabei reicht es nicht, Human Rights Watch-Berichte zu QAT zu lesen.“
Foto: Katar [dts]