Führende Außenpolitiker der CDU haben den Russland-Kurs der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel als zu wenig weitsichtig kritisiert. „Merkel hat im Verhältnis zu Russland nur auf Diplomatie, auf soft power gesetzt“, sagte Roderich Kiesewetter, Obmann der Unionsfraktion im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags, der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.
„Nötig wäre aber auch hard power gewesen.“ Zwar habe Merkel den russischen Präsidenten Wladimir Putin nüchtern und realistisch eingeschätzt, „aber aus heutiger Sicht falsche Handlungsschlüsse gezogen“. Auch nach der Krim-Krise habe Merkel ihren Kurs nicht geändert, warf Kiesewetter der früheren Kanzlerin vor. „Sie hat es abgelehnt, die ukrainische Armee auszubilden und Waffen zu liefern. Stattdessen setzte sie ausschließlich auf Diplomatie ohne militärische Unterfütterung, also den Minsker Prozess.“ Merkel habe Putin kritisch gesehen, „aber sie wollte nie die komplette Konfrontation mit Russland“, sagte der CDU-Außenpolitiker Johann Wadephul der FAZ. „Sie war immer der Meinung, Putin müsse eingebunden werden, er müsse seine Rolle haben.“ Merkel habe geglaubt, dass man so Russlands „Gelüste im eurasischen Raum eindämmen“ könne. Wadephul warf Merkel vor, sie habe Putins Ankündigungen nicht ausreichend ernst genommen.
„Sie hat unterschätzt, dass Putin Dinge, von denen er geredet hat, auch wirklich machen würde.“ Dass Merkel auch nach der Krim-Krise an der Ostseepipeline Nord Stream 2 festgehalten habe, erklärt Wadephul mit ihrem Machtpragmatismus. „Merkel war eine Pragmatikerin der Macht. Die SPD war für Nord Stream 2, und in Ostdeutschland sah man diese Pipeline als eine segensreiche Verbindung an, auch in ihrem Wahlkreis“, sagte Wadephul.
Auch aus geostrategischer Sicht habe die Kanzlerin Nord Stream 2 nicht falsch gefunden. „Sie dachte: Wenn wir Russland kein Gas mehr abkaufen, dann hat Russland nur noch China als Kunden.“
Foto: Wladimir Putin und Angela Merkel [dts]