Nach elf Wochen Streik an den sechs Unikliniken in NRW haben sich Arbeitgeber und die Gewerkschaft Verdi geeinigt. Die Verdi-Tarifkommission stimmte dem Kompromissvorschlag am Dienstagnachmittag „mit überwältigender Mehrheit zu“, wie die Gewerkschaft mitteilte.
Der Tarifvertrag startet Anfang 2023 und beinhaltet verschiedene Modelle, die die Beschäftigtengruppen im Klinikalltag wirksam entlasten sollen. Für weite Teile der Pflege inklusive der psychiatrischen Stationen und der Notaufnahmen wird schichtgenau das Zahlenverhältnis von Beschäftigten und Patienten festgelegt. „Wird diese Quote unterschritten oder kommt es zu anderweitig belastenden Situationen, erhalten die Betroffenen Belastungspunkte“, hieß es von Verdi. Für jeweils sieben Punkte wird demnach ein zusätzlicher freier Tag als Belastungsausgleich gewährt.
Im ersten Jahr der Umsetzung können auf diese Weise bis zu elf freie Tage zusammenkommen. Im zweiten Jahr sind es 14 und ab dem dritten Jahr maximal 18 zusätzliche freie Tage. Für die Umsetzung und die Einführung der nötigen IT-Systeme bekommen die Kliniken aber immerhin anderthalb Jahre Zeit. Für den Übergang wurden deshalb pauschal fünf Entlastungstage vereinbart.
Zufrieden zeigte sich die Gewerkschaft damit, dass bundesweit erstmals für viele Beschäftigtengruppen außerhalb der Pflege Mindestbesetzungen und Belastungsausgleiche vereinbart worden seien. So werden unter anderem in der Radiologie, in den Betriebskitas und bei Therapeuten bereichsbezogene Mindestvorgaben für den Personaleinsatz fixiert, deren Unterschreitung ebenfalls mit zusätzlicher Freizeit ausgeglichen wird. Für alle Service-, IT- und Technikbereiche sowie für die Ambulanzen wurde hingegen lediglich der Aufbau von 30 zusätzlichen Vollzeitstellen pro Uniklinik vereinbart. „Das ist bitter und hat in den Belegschaften zu vielen Diskussionen geführt“, sagte Verdi-Verhandlungsführer Heinz Rech.
„Insbesondere für die Düsseldorfer Uniklinik ist der Stellenaufbau ein Tropfen auf dem heißen Stein. Denn Krankenhausarbeit ist Teamarbeit und braucht überall ausreichend Personal.“ Bundesweit angeblich erstmalig werden im Tarifvertrag mit dem Namen „Entlastung NRW“ auch konkrete Entlastungsregeln für Auszubildende geschaffen. So werden unter anderem Mindeststandards für die Praxisanleitung und die Zahl der Lehrkräfte festgeschrieben, bei deren Unterschreitung die Auszubildenden einen Belastungsausgleich erhalten.
Die NRW-Landesregierung zeigte sich erfreut. „Die Einigung bringt eine spürbare Entlastung für alle patientennahen Berufe an den sechs Universitätskliniken in Nordrhein-Westfalen“, sagte Wissenschaftsministerin Ina Brandes (CDU). „Es freut mich, dass wir mit der Änderung des Hochschulgesetzes die Weichen für die Vereinbarung stellen konnten.“ Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagte, es liege nun „ein gutes Ergebnis auf dem Tisch, das zu besseren Arbeitsbedingungen führt und nachhaltig entlastet“.
Um die Einigung zu ermöglichen, hatte die Landesregierung eine Änderung des Hochschulgesetze auf den Weg gebracht, die Ende Juni vom Landtag verabschiedet wurde. Die Gesetzesänderung war notwendig, um den sechs Universitätskliniken den Austritt aus dem Arbeitgeberverband des Landes Nordrhein-Westfalen (AdL NRW) zu ermöglichen, damit sie eigenständige Tarifverhandlungen führen können. Infolgedessen ist nun ein eigenständiger Arbeitgeberverband in Gründung, in dem sich die nordrhein-westfälischen Unikliniken für Tariffragen zusammenschließen.
Foto: Universitätsklinikum Essen (dts)