Berlin – Das Bundesforschungsministerium will deutsch-chinesische Forschungskooperationen angesichts der massiven Menschenrechtsverletzungen in der Volksrepublik kritisch prüfen. „Die Menschenrechtsverletzungen in China sind schockierend. Ihre Veröffentlichung war ein deutlicher Weckruf, jegliche Naivität gegenüber China abzulegen“, sagte ein Ministeriumssprecher der „Welt“.
„Das gilt auch für die deutsche und europäische Wissenschaftslandschaft. Wir müssen sehr kritisch prüfen, wo Zusammenarbeit noch sinnvoll und möglich ist. Menschenrechtsverletzungen und der Missbrauch der Forschungskooperation müssen Konsequenzen haben“, so der Sprecher. „Gleichzeitig gilt jedoch auch: Freiheit von Wissenschaft und Lehre hat in Deutschland Verfassungsrang.“ Effrosyni Chelioti, Bereichsleiterin Außenbeziehungen der Helmholtz-Gemeinschaft, teilte mit: „Die deutsche Wissenschaft muss sich darüber verständigen, wann Kipppunkte erreicht sind, jenseits derer die freie wissenschaftliche Zusammenarbeit mit einem Partnerland auf institutioneller Ebene nicht mehr möglich ist.“ Die Situation sei neu und habe vor dem Hintergrund der völkerrechtswidrigen Angriffs Russlands auf die Ukraine an Bedeutung gewonnen. Den richtigen Umgang mit China zu finden sei eine Herausforderung, die den gesamten deutschen und europäischen Forschungsraum beschäftige, heißt es. „Klar muss aber auch sein, dass es falsch wäre, China als Forschungsnation komplett zu vernachlässigen. Es gibt große Herausforderungen, wie etwa der Klimawandel, die sich nur im globalen Zusammenschluss bewältigen lassen“, so Chelioti. „Eine Neuausrichtung der deutschen und europäischen Zusammenarbeit mit China muss auch die Wissenschaftskooperationen umfassen“, fordert der forschungspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Kai Gehring. Die Politik müsse für die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit Staaten, die Menschenrechte verletzten und bürgerliche Freiheiten missachten, gemeinsam mit der Wissenschaft klare Leitlinien erarbeiten oder bestehende nachschärfen.
„Für den Fall China bedeutet das, Kooperationsvereinbarungen von vornherein ganz genau zu prüfen und die Zusammenarbeit zu evaluieren.“ „Aktuell sollten im Rahmen der Wissenschaftskooperation Menschenrechtsverletzungen offen und deutlich angesprochen werden“, sagte der forschungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Oliver Kaczmarek. „Die Wissenschaft kann sich dieser Verantwortung nicht entziehen.“ Solange die Kooperation jedoch noch eine Plattform für den kritischen Dialog biete, sollte sie dafür auch genutzt werden.
Foto: Bundesministerium für Bildung und Forschung (dts)