Der Referentenentwurf für ein neues Gesetz über den Unabhängigen Kontrollrat, der die Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes (BND) rechtlich überwacht, ist Anfang dieser Woche überraschend vom Kanzleramt zurückgezogen worden. Die an der Ressortabstimmung beteiligten Ministerien für Justiz, für Inneres und für Finanzen wurden darüber per E-Mail unterrichtet, wie die „Welt am Sonntag“ berichtet.
Der Kontrollrat selbst sorgt sich um seine Unabhängigkeit. „Ich bin der Überzeugung, dass der Unabhängige Kontrollrat seine Aufgaben nur dann erfüllen kann, wenn er wie ein Gericht mit vollständiger Unabhängigkeit ausgestattet und von Einflussnahmen abgeschirmt ist“, sagte der Präsident des Kontrollrats, Josef Hoch, der „Welt am Sonntag“. „Deutschland ist auf den Informationsaustausch mit ausländischen Partnerdiensten angewiesen. Diese können darauf vertrauen, dass dem UK-Rat übermittelte Informationen durch strikte Geheimschutzvorgaben geschützt sind.“ In diesem Sinne hat der Kontrollrat am 4. August einen eigenen Gesetzentwurf als Diskussionsgrundlage veröffentlicht. Das Bundesverfassungsgericht habe die Unabhängigkeit der rechtlichen Kontrolle des BND betont, sagte Hoch. Der Kontrollrat, der ähnlich wie ein Gericht arbeitet, hatte seine Arbeit erst mit Beginn des Jahres 2022 aufgenommen. An seiner Spitze stehen sechs Richter, die mindestens fünf Jahre am Bundesgerichtshof oder am Bundesverwaltungsgericht tätig gewesen sein müssen. Wie der Bundesrechnungshof ist der Unabhängige Kontrollrat eine Oberste Bundesbehörde. Sie unterliegt keiner Rechts- und Fachaufsicht und ist allein dem Gesetz unterworfen. Der Entwurf des Kanzleramts zum neuen Gesetz enthält etliche Neuregelungen, in denen Hoch Gefahren für die Unabhängigkeit seiner Behörde sieht. Im Vorwort zum eigenen Gesetzentwurf schreibt der Kontrollrat, er wolle nicht „zu einer Art Hilfsorgan“ der Politik umgestaltet werden. Der frühere BND-Präsident Gerhard Schindler sieht in dem Kanzleramtsentwurf einen Versuch, dem BND – der seiner Meinung nach ohnehin einer der meistkontrollierten Nachrichtendienste ist – neue Fesseln anzulegen. „Die Zeitenwende, die angesichts hoher Spannungen und Kriege ausgerufen wurde, ist bei den deutschen Nachrichtendiensten noch nicht angekommen. Im Gegenteil, statt sie zu befähigen und zu stärken, werden immer neue Ideen entwickelt, um sie zu begrenzen und zu schwächen.“ Ein Regierungssprecher teilte der „Welt am Sonntag“ auf Nachfrage nach den Gründen für den Stopp des Gesetzes mit, er bitte um Verständnis, „dass wir uns zu internen Abstimmungen grundsätzlich nicht weiter äußern“.
Sobald ein Gesetzentwurf vom Kabinett beschlossen werden solle, gebe man darüber Auskunft.
Foto: Bundeskanzleramt in Berlin (Archiv) [dts]