Bestseller-Autorin Donna Leon sieht eine neue Zeit der Zensur gekommen. „Wir leben jetzt in einer Welt, in der man nichts schreiben darf, was Leser kränkt, überrascht, verletzt, verstört oder in irgendeiner anderen Weise Empfindlichkeiten berührt“, sagte die Schriftstellerin der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Freitagausgabe).
Das gefalle ihr ganz und gar nicht. „Das nennt man Zensur“, behauptete Leon. Die Praxis, in Klassikern wie „Pippi Langstrumpf“ rassistische Begriffe durch harmlose Wörter zu ersetzen, vergleicht Leon mit der Geschichtsklitterung des Kommunismus: „Im Namen von Werten und Moral redigieren die Leute die Vergangenheit um. Genauso, wie es die Kommunisten in Russland gemacht haben“, sagte Leon.
„Wer eben noch am Tag des Sieges mitmarschierte, wurde im nächsten Jahr schon wieder aus dem Foto retuschiert.“ Stattdessen plädiert Leon dafür, die Sprache der Vergangenheit als Teil unserer Geschichte anzuerkennen. Sie könne verstehen, warum Menschen Bücher überarbeiten wollten. „Wir alle würden gern die Grausamkeiten vergessen, die zu uns gesagt wurden. Viele von uns würden sicher auch gern die Grausamkeiten vergessen machen, die sie selbst gesagt haben. Aber es ist eben geschehen.“
Gegen ihre eigenen Bücher sei noch nie ein Proteststurm entbrannt, sagte sie. Es gebe jedoch eine Ausnahme: Nachdem sie in einem ihrer Krimis einen Hund habe sterben lassen, hätten Leser Protestbriefe geschrieben.
„Wahrscheinlich habe ich in meinen Krimis an die 50 Menschen sterben lassen. Das stört keinen“, sagte Leon. „Aber bei einem Golden Retriever hört der Spaß auf.“
Foto: Leser mit Büchern [dts]