Kurz vor der Karlspreisverleihung an den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an diesem Sonntag in Aachen hat sein früherer Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, der Bundesregierung mangelnde Unterstützung für einen Nato-Beitritt seines Landes vorgeworfen. „Die Bundesregierung spielt eine bremsende Rolle dabei, dass es bei unserer Nato-Mitgliedschaft kaum Bewegung gibt, sondern einen Schritt nach vorne und zwei zurück“, sagte Melnyk, der inzwischen Vize-Außenminister in Kiew ist, dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Samstagausgaben).
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) warf er vor, Diskussionen über Waffenlieferungen und einen Nato-Beitritt der Ukraine auszuweichen. Stattdessen werde den Deutschen eingeredet, dass jetzt in puncto Waffen „alles picobello sei, als ob es keinen Krieg gäbe“. Das deutsch-ukrainische Verhältnis sei deswegen so schwierig, „weil uns bis heute nicht mit allem geholfen wird, was wir zügig benötigen“. Melnyk sagte: „Gerade für die jetzt geplante Offensive bräuchten wir noch gestern doppelt oder besser fünfmal so viele Leopard-2-Panzer anstatt nur die 18 gelieferten. Wir brauchen auch modernste deutsche Waffen, Kriegsschiffe und U-Boote für die Zeit nach dem Krieg.“ Er fügte hinzu: „In Berlin wird das alles bewusst totgeschwiegen.“ Melnyk forderte erneut auch deutsche Kampfjets. Dieser Schritt wäre seiner Ansicht nach kriegsentscheidend. Der Karlspreis für Selenskyj und die Ukraine sei ein Preis „für die Einheit Europas“, mit dem eine klare Richtung vorgegeben werde, sagte Melnyk. „Ein Europapreis heißt für mich auch, dass Deutschland viel schneller vorankommen müsste in Richtung EU- und Nato-Mitgliedschaft der Ukraine.“ Der Preis solle „ein klarer Wegweiser für die europäische und transatlantische Zukunft der Ukraine“ sein.
Foto: Bundeskanzleramt [dts]