Die designierte neue Präsidenten des Familienunternehmer-Verbands, Marie-Christine Ostermann, hat Einschränkungen beim Streikrecht in Deutschland gefordert. „Gerade jetzt nach der Coronakrise müssen Unternehmen in die Lage versetzt werden, entgangene Gewinne wieder hereinzuholen. Dafür brauchen wir mehr Verlässlichkeit“, sagte Ostermann der „Rheinischen Post“ (Freitagausgabe).
„Deshalb fordern wir eine Reform des Streikrechts: Warnstreiks sollen künftig nur noch erlaubt sein, wenn vorher eine Schlichtung im Tarifkonflikt gescheitert ist“, sagte die Unternehmerin aus Nordrhein-Westfalen. „Ich habe den Stillstand am 27. März als wirtschaftlichen Rückschlag wahrgenommen. Unser Unternehmen musste seine gesamte Logistik umstellen und hatte dadurch erhebliche Mehrkosten“, klagte Ostermann. An diesem Freitag will die Eisenbahngewerkschaft EVG erneut den Bahnverkehr bestreiken. Ostermann sprach sich zudem gegen höhere Leistungen für Familien bei der geplanten Kindergrundsicherung aus. „Die Kindergrundsicherung hat ein ehrenwertes Motiv. Aber im Moment können wir uns ein Draufsatteln bei den Sozial- und Familienleistungen schlicht nicht leisten“, sagte sie. Deutschland habe ihrer Ansicht nach bereits sehr hohe staatliche Transferleistungen. „Der Staat stellt für Familien und Bedürftige jedes Jahr hohe dreistellige Milliardenbeträge bereit“, sagte Ostermann. „Ich bin dafür, dass nicht noch mehr Geld fließt, sondern dass die Effizienz der bestehenden Leistungen überprüft und gesteigert wird.“ Als neue Präsidentin des mittelständischen Verbandes, in dem auch BMW, Merck und die Oetker-Gruppe Mitglieder sind, möchte sie „andere für die Idee des Unternehmertums begeistern, damit wir gemeinsam dieses Land wieder wettbewerbsfähig machen“, sagte die Chefin eines Lebensmittelgroßhandels in Hamm.
„Ich habe das Gefühl, dass Politik und Gesellschaft nicht viel Bezug zu Unternehmern haben. Es gibt 45 Millionen Erwerbstätige in Deutschland, aber nur 3,5 Millionen Selbstständige.“ Die Vorurteile gegenüber Unternehmern seien groß, doch sie hätten mit der Realität nichts zu tun. „Im Fernsehen, der `Tatort` ist das beste Beispiel dafür, ist der Unternehmer immer der Böse, meistens männlich und meistens älter.“
Das wolle sie ändern. „Ich werde versuchen, das Unternehmertum nahbarer und auch in den Medien sichtbarer zu machen. Kein Unternehmer kann es sich heute mehr leisten, politisch abstinent zu sein. Dazu sind die Auswirkungen der Politik auf uns Unternehmer zu gravierend“, so Ostermann.
Marie-Christine Ostermann ist geschäftsführende Gesellschafterin beim Lebensmittelgroßhandel Rullko Großeinkauf in Hamm und leitet seit 2006 das Unternehmen in vierter Generation. Rullko ist unter anderem auf die Belieferung von Großküchen spezialisiert. Das Unternehmen beschäftigt rund 200 Mitarbeitende und verzeichnete 2022 einen Umsatz von circa 82 Millionen Euro netto.
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