Die Erwerbsmigration nach Deutschland ist im Jahr 2022 stark gestiegen. Ende des Jahres wurden rund 351.000 Personen aus Staaten außerhalb der EU mit einem befristeten Aufenthaltstitel zum Zweck der Erwerbstätigkeit im Ausländerzentralregister (AZR) erfasst, teilte das Statistische Bundesamt (Destatis) am Donnerstag mit.
Die Zahl der Erwerbsmigranten legte demnach seit 2010 (damals 85.000 Personen) stetig zu. Nachdem in den stark von der Corona-Pandemie geprägten Jahren 2020 und 2021 ein vergleichsweise geringes Wachstum gegenüber dem jeweiligen Vorjahr zu verzeichnen war (2021: +21.000 Personen oder +8 Prozent; 2020: +16.000 Personen oder +6 Prozent), stieg die Zahl der Erwerbsmigranten 2022 um 56.000 Personen oder 19 Prozent. Einer der Gründe für den starken Anstieg dürften Nachholeffekte durch den Wegfall vieler coronabedingter Einschränkungen im Jahr 2022 gewesen sein. Die zum Jahresende 2022 registrierten Personen mit einem Aufenthaltstitel zum Zweck der Erwerbstätigkeit waren mehrheitlich männlich (236.000 Personen oder 67 Prozent) und zwischen 25 und 35 Jahren alt (196.000 Personen oder 56 Prozent). Ende des Jahres verfügten 89.000 Personen in Deutschland über eine Blaue Karte für akademische Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten, so die Statistiker weiter. Das waren mehr als ein Viertel aller Erwerbsmigranten und 20.000 Personen oder 28 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Die Blaue Karte EU war damit der häufigste Aufenthaltstitel im Bereich der befristeten Erwerbsmigration. Mit Abstand die meisten Inhaber kamen aus Indien (26.000), gefolgt von Personen mit türkischer (5.900) und russischer (5.500) Staatsangehörigkeit; rund 71 Prozent der Personen waren Männer. Voraussetzung für die Erteilung der Blauen Karte EU ist ein abgeschlossenes Hochschulstudium sowie ein konkretes, der Qualifikation angemessenes Arbeitsplatzangebot mit einem bestimmten Mindestgehalt. Für Inhaber einer Blauen Karte EU gelten Erleichterungen beim Familiennachzug und die Möglichkeit zur schnelleren Erteilung einer unbefristeten Niederlassungserlaubnis. Für Akademiker aus Staaten außerhalb der EU gibt es neben der Blauen Karte noch weitere Aufenthaltstitel zur Erwerbmigration, zum Beispiel eine Aufenthaltserlaubnis für Fachkräfte mit akademischer Ausbildung: Ende 2022 verfügten 40.000 Personen über eine solche Aufenthaltserlaubnis (+12.000 Personen beziehungsweise +41 Prozent im Vergleich zum Vorjahr). Voraussetzung ist unter anderem ein konkretes Arbeitsplatzangebot; anders als bei der Blauen Karte gilt hierfür keine Mindestgehaltsgrenze. Zudem gibt es breitere Beschäftigungsmöglichkeiten, da nicht nur eine Beschäftigung im der eigenen Qualifikation entsprechenden Beruf, sondern auch in verwandten Berufen möglich ist. Seit 1. März 2020 erleichtert das Fachkräfteeinwanderungsgesetz auch Fachkräften mit Berufsausbildung aus Nicht-EU-Staaten die Einreise und den Aufenthalt für die Ausübung einer Beschäftigung: 41.000 Personen verfügten Ende 2022 über eine entsprechende Aufenthaltserlaubnis. Im Vergleich zum Vorjahr war das ein deutliches Plus von 13.000 Personen oder 44 Prozent. Im Gegensatz zur Gruppe der Erwerbsmigranten insgesamt überwog bei den Fachkräften mit Berufsausbildung der Frauenanteil mit 58 Prozent.
Die häufigste Staatsangehörigkeit unter den Fachkräften mit Berufsausbildung war die bosnisch-herzegowinische (6.400), gefolgt von der philippinischen (5.000). Auf Grundlage der sogenannten „Westbalkanregelung“ hielten sich Ende 2022 rund 62.000 Nicht-EU-Staatsangehörige mit einer Aufenthaltserlaubnis für Erwerbszwecke in Deutschland auf, teilte das Bundesamt weiter mit. Das waren 16.000 oder 35 Prozent mehr als noch im Vorjahr. 88 Prozent dieser Personen waren männlich, mit 27 Prozent bildeten Staatsangehörige des Kosovo die größte Gruppe (17.000).
Die Westbalkanregelung eröffnet Arbeitskräften aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien seit 2016 unter bestimmten Voraussetzungen wie dem Vorliegen eines konkreten Arbeitsplatzangebotes, aber unabhängig von der Qualifikation als Fachkraft einen befristeten Zugang zum Arbeitsmarkt in Deutschland. Die Regelung war zunächst bis Ende 2020 befristet, wurde aber aufgrund hoher Nachfrage der Arbeitgeber in Deutschland bis Ende 2023 verlängert. Ukrainer machten Ende 2022 einen Anteil von gut zwei Prozent an den Personen mit einem befristeten Aufenthaltstitel zum Zweck der Erwerbstätigkeit aus. Ende 2021 hatte der Anteil bei knapp drei Prozent gelegen.
Die meisten der rund 1,16 Millionen Ukrainer, die Ende 2022 in Deutschland lebten, haben vorübergehenden Schutz und damit einen humanitären Aufenthaltstitel erhalten, darunter waren 762.000 Personen im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 64 Jahren. Diese verfügten in der Regel über eine Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit. Wie viele dieser Personen erwerbstätig sind oder über eine Qualifikation als Fachkraft verfügen, lässt sich aus dem AZR nicht auswerten.
Foto: Agentur für Arbeit [dts]