Die Enttarnung und die Ausweisung von mindestens 35 russischen Geheimdienstoffizieren aus Moskaus Botschaft in Berlin wird wohl zu keinem Rückgang der Spionagetätigkeit in Deutschland führen. Das berichtet der „Focus“ unter Berufung auf Experten mehrerer Sicherheitsbehörden.
Diesen gingen demnach sogar vom Gegenteil aus und erwarteten ein noch aggressiveres Vorgehen Russlands. Denn schon kurz nachdem mehrere als Diplomaten getarnte Agenten von der bevorstehenden Ausweisung erfahren hatten, sollen diese ihren Zuträgern und Quellen mitgeteilt haben, dass neue Agentenführer bald mit ihnen Kontakt aufnehmen würden. Nach Erkenntnissen der deutschen Spionageabwehr fungierten zuletzt mehr als 120 in Deutschland akkreditierte Diplomaten in Wirklichkeit als Agentenführer. Sie sollen versucht haben, Informanten aus Politik, Wirtschaft, Militär und Forschungseinrichtungen zum Teil mit hohen Geldbeträgen anzuwerben. „Den Rauswurf von 35 Geheimdienstoffizieren stecken die Russen locker weg“, sagte Klaus Werda, früherer Spionageabwehrchef in Brandenburg. „Die drei Moskauer Geheimdienste SWR, FSB und GRU haben sehr gut ausgebildete Leute, die können aus dem Vollen schöpfen.“ Ein ranghoher Verfassungsschützer sagte, der Spionageeinsatz in Deutschland gelte als Privileg und sei für viele ehrgeizige Offiziere eine Auszeichnung. Die diplomatische Immunität schütze zudem vor einer Strafverfolgung. Im aktuellen Fall der Agentenausweisung hatten deutsche und russische Behörden laut „Focus“ zunächst eine diskrete Vorgehensweise beschlossen. Das durch den Ukraine-Krieg ohnehin schwierige Verhältnis beider Staaten sollte demnach nicht noch weiter belastet werden. Mit der Abreise der Botschaftsmitarbeiter aus Berlin kündigte jedoch das russische Außenministerium „Vergeltungsmaßnahmen“ gegen die „feindlichen Handlungen“ an und forderte 20 deutsche Diplomaten auf, das Land zu verlassen.
Foto: Kreml [dts]