Laut einer Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes haben Empfänger von Harzt IV im zu Ende gegangenen Jahr teilweise erheblich an Kaufkraft verloren und sind de facto unter das Existenzminimum gerutscht. Das berichtet die „Süddeutsche Zeitung“ in ihrer Mittwochsausgabe.
Die Inflation war im vergangenen Jahr erst durch Lieferengpässe im Zuge der Corona-Pandemie und dann durch die vom russischen Angriffskrieg ausgelöste Energiekrise extrem gestiegen. Das Statistische Bundesamt taxierte sie am Dienstag für das gesamte Jahr 2022 auf 7,9 Prozent – den höchsten Wert seit 1951. Um die Härten auszugleichen, stellte die Bundesregierung „Entlastungspakete“ in Höhe von etwa 200 Milliarden Euro bereit. Manches davon, etwa Einmalzahlungen für Erwachsene und Kinder oder das von Juni bis Ende August gültige Neun-Euro-Ticket für den öffentlichen Nahverkehr, kam auch Hartz-IV-Empfängern zugute. Insgesamt aber konnten die Entlastungen den DGB-Berechnungen zufolge die Teuerung bei Weitem nicht ausgleichen. Eine arbeitslose Alleinerziehende mit einem zehnjährigen Kind büßte demnach aufs Jahr gerechnet etwa 750 Euro ein, ein Alleinstehender 470 Euro, ein Paar mit zwei Kindern im Alter von 14 und 16 Jahren etwa 1.600 Euro. Bei Menschen, die ihre Rente oder ihren Lohn aufstockten, waren die Verluste etwas geringer, da sie zusätzlich Anspruch auf die Energiepauschale der Bundesregierung von 300 Euro hatten. Die Einbußen dürften die Leistungsempfänger empfindlich getroffen haben, da viele von ihnen über keinerlei finanzielle Rücklagen verfügen. Sie müssen einen Großteil ihres Geldes für Lebensmittel ausgeben, deren Preise stiegen besonders stark. „`You`ll never walk alone` – das galt für die Grundsicherungsempfänger im vergangenen Jahr finanziell ganz sicher nicht“, kritisiert DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel in Anspielung auf ein bekanntes Zitat von Kanzler Olaf Scholz (SPD). Mit der Einführung des Bürgergelds zum 1. Januar wird die Inflation nun ausgeglichen, der Regelsatz steigt auf 502 Euro, also um 11,8 Prozent. Der DGB kritisiert jedoch, dass die Empfänger auch künftig nicht vor hohen Teuerungsraten geschützt seien; der jährliche Mechanismus zur Anpassung der Regelsätze sei unzureichend. Das Arbeitsministerium teilte mit, die Bundesregierung habe „eine ganze Reihe von Maßnahmen erlassen, um die schlimmsten Folgen der Preissteigerungen abzufedern“.
Die Studie des DGB könne noch nicht bewertet werden. Es sei aber nicht nachvollziehbar, dass der Kindersofortzuschlag von 20 Euro monatlich ab Juli nicht in die Berechnung einbezogen worden sei. Der DGB argumentiert, dieser sei nicht als Inflationsausgleich gedacht, sondern als Überbrückung bis zur geplanten Kindergrundsicherung. Unabhängig davon hätte der Zuschlag die finanziellen Einbußen von Familien im vergangenen Jahr nicht wettgemacht.
Foto: Butter in einem Supermarkt [dts]