Nach der Festnahme eines mutmaßlichen russischen Spions beim Bundesnachrichtendienst (BND) gibt es neue Details. Es soll es sich um einen leitenden Mitarbeiter aus der streng geheimen technischen Auslandsaufklärung handeln, berichtete „Focus-Online“ am Freitagmittag unter Berufung auf „Berliner Sicherheitskreise“. Carsten L. sei demnach ein Beamter des höheren Dienstes und habe Zugang zu sensiblen Informationen gehabt.
Als Spezialist für Auswertung soll er laut des Berichts sämtliche Vorgänge und Informationen analysiert haben, die der BND durch weltweite Abhöraktionen gewinnt. Zu dem Material, das dem Mann zur Auswertung und dann zur Information der Bundesregierung zur Verfügung stand, gehörten angeblich auch die bei Lauschoperationen beschafften Erkenntnisse befreundeter Partnerdienste, schreibt das Magazin weiter. Dementsprechend sorgt der Vorgang für Aufregung im politischen Berlin. „Dieser Fall bezieht sich auf den BND, das ist besonders bedenklich“, sagte Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) RTL/ntv. Zugleich lobte Habeck die Arbeit der Sicherheitsbehörden, auch bei der Abwehr von Wirtschaftsspionage. „Alle wissen, dass Handelsbeziehungen gut sind und notwendig, aber wir dürfen nicht naiv und doof sein“, so Habeck. „Wir müssen unsere Interessen schützen und das machen unsere Dienste, wie man gestern gesehen hat, sehr gut.“ SPD-Innenpolitiker Sebastian Hartmann warnte vor vielfältigen Aktivitäten Russlands im Westen.
„Russland ist seit Ende des Kalten Kriegs nie in eine Phase der Entspannung eingetreten“, sagte Hartmann dem Nachrichtenportal T-Online. „Russland ist schon seit Längerem ein dynamischer Gegner, der aggressiv vorgeht.“ Hartmann, der auch Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestags ist und daher Einblick in die Geheimdienste hat, erläuterte: „Die russischen Aktivitäten im Westen haben dabei eine große Bandbreite, auf die wir uns einstellen müssen: Das Portfolio reicht von der Umgehung von Wirtschaftssanktionen durch Scheinfirmen über Desinformationskampagnen bis hin zum Ausspähen militärischer Fähigkeiten und staatlicher Akteure.“ FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki fürchtet, dass die Affäre die Kooperation mit anderen Partnerdiensten gefährden könnte.
„Es wäre zwar nicht der erste enttarnte russische Spion in Europa in diesem Jahr, aber wenn wirklich Informationen aus dem BND nach Russland gelangen konnten, wird das die Zusammenarbeit mit unseren Partnern enorm erschweren“, sagte der Bundestagsabgeordnete dem „Handelsblatt“. Kubicki verlangte, dass der Sachverhalt genau analysiert und dann auch bei bestehenden Dienstverhältnissen geprüft werde, ob es weitere Spione in den eigenen Reihen gebe. „Während die Bundesinnenministerin Jäger und Sportschützen mittels des Verfassungsschutzes mehr überprüfen will, kann offenbar ein russischer Spion beim BND beliebig schalten und walten, bevor er auffliegt“, kritisierte der FDP-Politiker. Die Linksfraktion nahm indes die Eigensicherung des Auslandsgeheimdienstes ins Visier: André Hahn, ebenfalls Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums, sagte der „Rheinischen Post“ (Samstag): „Wenn nun selbst in den Reihen des Bundesnachrichtendienstes ein Mitarbeiter für Russland spioniert haben soll, dann wäre das eine völlig neue und erschreckende Qualität.“
Dann stelle sich „auch die Frage nach der Wirksamkeit der Eigensicherung des BND und der Spionageabwehr des Bundesamtes für Verfassungsschutz, nachdem ja vor wenigen Jahren auch schon ein inzwischen verurteilter CIA-Agent im BND enttarnt worden war“, so der Sprecher der Linken für die Geheimdienstkontrolle. Dass es in Deutschland russische Spionageaktivitäten gebe, sei zugleich „bekannt und auch wenig verwunderlich“. Das Parlamentarische Kontrollgremium werde sich „spätestens im neuen Jahr mit dem Vorgang befassen“, sagte Hahn. „Das macht erst dann Sinn, wenn die Bundesregierung auch substantielle Auskünfte geben kann.“
Foto: Bundesnachrichtendienst [dts]