Die Bundeswehr steht vor einer strategischen Neuausrichtung. In einem vertraulichen Grundsatzpapier hat Viersternegeneral Eberhard Zorn Ende September angeordnet, die Bundeswehr müsse sich für einen drohenden Konflikt mit Russland schlagkräftiger aufstellen.
„Angriffe auf Deutschland können potenziell ohne Vorwarnung und mit großer, gegebenenfalls sogar existenzieller, Schadenswirkung erfolgen“, heißt es in dem 68-seitigen Papier, über das der „Spiegel“ berichtet. „Unzweifelhaft wird die Fähigkeit zur Verteidigung des Landes- und Bündnisgebiets überlebenswichtig und noch stärker als bisher in den Mittelpunkt rücken“, so Zorn. Das Papier trägt den Titel „Operative Leitlinien für die Streitkräfte“. Darin skizziert der Generalinspekteur eine Großreform für die Bundeswehr – weg von Auslandsmissionen, hin zur Landes- und Bündnisverteidigung.
Die „rund drei Jahrzehnte andauernde Fokussierung auf Auslandseinsätze“ wie in Afghanistan werde „der aktuellen Lage mit ihren systemgefährdenden Überraschungen nicht mehr gerecht“, schreibt Zorn. Stattdessen werde „die Bündnisverteidigung, einschließlich der Fähigkeit zu sichtbarer und glaubwürdiger Abschreckung, das militärische Handeln Deutschlands dominieren“. Konkret, so Zorn, müsse sich die Bundeswehr „für einen aufgezwungenen Krieg“ wappnen. Da ein direkter Konflikt an der NATO-Ostflanke „wieder wahrscheinlicher“ geworden sei, müsse Deutschland in Europa eine Vorreiterrolle einnehmen und seine Streitkräfte robuster aufstellen.
„Einsatzbereite, an einem hochintensiven Szenario ausgerichtete und ausgebildete Streitkräfte bilden das Rückgrat dieser Abschreckung“, heißt es in dem Papier. Es reiche nicht mehr, kleinere, spezialisierte Einheiten in Auslandsmissionen zu schicken. Stattdessen müsse man für die NATO jederzeit einsatz- und kampfbereite Großverbände bereithalten.
Foto: Bundeswehr-Soldaten [dts]