Vor dem Antrittsbesuch der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni in Brüssel am Donnerstag haben führende EU-Abgeordnete unterschiedliche Erwartungen an den Umgang mit der ultrarechten Politikerin formuliert. „Giorgia Meloni muss klar machen, wo sie europapolitisch steht“, sagte Rasmus Andresen, Sprecher der deutschen Grünen im Europäischen Parlament der „Welt“ (Donnerstagsausgabe).
„Solidarität ist keine Einbahnstraße. Wenn die neue italienische Regierung ökonomisch Solidarität in der Krise erwartet, muss Italien auch bei der Rechtsstaatlichkeit und in der Migrationspolitik einen klaren europäischen Kompass haben und zusammenarbeiten.“ Meloni hatte im Wahlkampf versprochen, Migration aus Nordafrika zu stoppen. Ihre Ankündigung, italienische Häfen für Bootsflüchtlinge zu schließen, soll bei den Gesprächen in Brüssel Thema sein. Andreas Schwab, führender Parlamentarier aus der christdemokratischen EVP-Fraktion, plädiert dafür, die neofaschistische Politikerin auf EU-Ebene politisch nicht auszugrenzen. „Wir sollten Giorgia Meloni an ihren Taten messen“, sagte der CDU-Abgeordnete. „Wir dürfen nicht verharmlosen, aber Meloni ist nun einmal die gewählte Ministerpräsidentin Italiens“, so Schwab. Sie habe sich im Ukraine-Konflikt stark pro NATO positioniert und mit ihrem ersten Auslandsbesuch in Brüssel sende sie seiner Ansicht nach ein starkes pro-europäisches Signal. EVP-Chef Manfred Weber war für seine Wahlkampfhilfe für Melonis Koalitionspartner Silvio Berlusconi kritisiert worden. Moritz Körner, Haushaltspolitiker der FDP im EU-Parlament, forderte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf, gegenüber Meloni auf Finanzdisziplin zu beharren. „Es ist damit zu rechnen, dass wir eine Meloni im Schafspelz erleben werden, die eine Maximierung der EU-Mittelzahlungen an Italien und die Aufweichung der Schuldenregeln erbitten wird“, so Körner. „Von der Leyen muss gegenüber Meloni hart bleiben und dem italienischen Wunsch nach einer Schuldenunion eine klare Absage erteilen.“ Meloni hatte im Wahlkampf versprochen, dass sie die Bedingungen, zu denen Italien mehr als 190 Milliarden Euro aus dem Corona-Wiederaufbauprogramm der EU bekommt, neu verhandeln will. Erwartet werden derzeit allerdings lediglich leichte Aktualisierungen.
Foto: EU-Fahnen [dts]