Vor dem Treffen der für Medien zuständigen EU-Minister am Dienstag hat Vìra Jourová, die Vize-Präsidentin der Europäischen Kommission, an die Bundesregierung und die Bundesländer appelliert, ihren Widerstand gegen das sogenannte Europäische „Medienfreiheitsgesetz“ aufzugeben. Deutschland, Ungarn, Polen und Österreich sind nach Aussage von Jourová und Brüsseler Diplomaten die einzigen vier EU-Mitgliedstaaten, die grundsätzlichen Widerstand gegen das Vorhaben signalisiert haben.
„Dass die polnische und die ungarische Regierung das Europäische Medienfreiheitsgesetz kritisieren, ist nicht verwunderlich. Schließlich ist das Gesetz auch eine Reaktion auf negative Entwicklungen in diesen Ländern, in denen die Regierungen versuchen, einen größeren Teil der Medienlandschaft, insbesondere den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, zu kontrollieren“, sagte Jourová der „Welt“. „Die kritischen Stimmen aus Deutschland machen mir mehr Sorgen. Dort glauben einige Behörden und Interessensgruppen, dass das deutsche System der Medienaufsicht hervorragend funktioniert und dass das Medienfreiheitsgesetz deshalb nicht nötig ist.“ Für die tschechische Politikerin ist eine Blockade des größten Mitgliedslandes ein Problem. „Ich würde mir mehr Führung und EU-weites Denken in unserem größten Mitgliedstaat wünschen. Je stärker wir die Unabhängigkeit der Medien absichern, desto besser“, sagte Jourová der „Welt“. „Ich appelliere an meine deutschen Kollegen, nicht nur an ihr eigenes Land zu denken. Gerade das größte Mitgliedsland sollte sich bemühen, die gesamte EU im Blick zu haben. Ernsthafte Medienprobleme in einem einzigen Mitgliedstaat haben Auswirkungen auf die gesamte EU.“ Ein einziges Land, in dem die öffentliche Meinung durch pro-russische Propaganda beeinflusst sei, könne beispielsweise Sanktionen gegen Russland blockieren. Am Dienstag werden Claudia Roth, die Staatsministerin für Kultur und Medien, und ihre für Medien zuständigen EU-Amtskollegen erstmals über den Gesetzesvorschlag der Europäischen Kommission für ein Europäisches Medienfreiheitsgesetz beraten. Die Bundesregierung befürwortet das Vorhaben grundsätzlich, muss aber in Brüssel auch die Interessen der deutschen Bundesländer vertreten, die sich dagegen wehren, dass die EU mit dem Gesetz mehr Kompetenzen in der Medienpolitik erhält. Der Gesetzesentwurf sieht einen neuen EU-Medienrat vor, in dem Vertreter der nationalen Medienbehörden sitzen sollen. Die Kommission will außerdem mehr Transparenz beim Eigentum von Medien und mehr Informationen darüber, wie staatliche Stellen Medien mit Werbung finanziell helfen. Zudem sollen Medienunternehmen gegen willkürliche Entscheidungen großer Internetplattformen wie Facebook und Tiktok verteidigt und Journalisten besser vor Überwachung geschützt werden.
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