Die Vorschläge einer Expertenkommission zur Umsetzung der geplanten „Gaspreisbremse“ sind auf breite Kritik gestoßen. „Insgesamt ist es sehr bedauerlich, dass die Expertenkommission Gas und Wärme das Thema Kommunen und ihre Einrichtungen mit keinem Wort erwähnt hat“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, der „Rheinischen Post“ (Dienstagsausgabe).
„Damit wird ein wichtiger Teil der kommunalen Daseinsvorsorge nicht ausreichen gewichtet.“ Man fordere die Bundesregierung auf, „die Gaspreis- und Fernwärmepreisbremse auch auf kommunale Gebäude und kommunale Einrichtungen auszudehnen“, so Landsberg. Verbraucherschützer kritisierten unterdessen vor allem die geplante Einmalzahlung als „sozial ungerecht“. Sie sei „abermals das Prinzip Gießkanne“, sagte die Chefin des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Ramona Pop. „Das Geld sollte besser gestaffelt nach dem Einkommen ausgezahlt werden.“ Weiterhin fehle zudem ein Sicherheitsnetz für diejenigen, die die explodierenden Gas- und Fernwärmepreise nicht stemmen könnten. Auch bei der Preisbremse gebe es ein „Gerechtigkeitsproblem“, fügte Pop hinzu. „Diejenigen, die in den vergangenen Jahren viel Energie verbraucht haben, werden belohnt. Diejenigen, die sich bemüht haben, Energie einzusparen, leider nicht.“ Entlastungen dürften nicht immer wieder die hohen Einkommen und großen Verbräuche bevorteilen. „Besser wäre es, wenn bei der Preisbremse auch der absolute Verbrauch berücksichtigt würde.“ Der Direktor des arbeitnehmernahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien, warnte ebenfalls vor sozialen Ungerechtigkeiten.
„Im Durchschnitt dürften Haushalte aus den oberen Einkommensdezilen hier etwa anderthalb mal so große Rabatte bekommen wie Haushalte in den unteren Einkommensdezilen“, sagte Dullien den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Dienstagsausgaben). „Bei den Spitzenverbrauchern dürfte dieses Verhältnis noch einmal ein Mehrfaches höher ausfallen.“ Bei Spitzenverdienern dürfte es noch um ein Mehrfaches höher ausfallen. „Das ist besonders problematisch bei den Hocheinkommenshaushalten mit hohem Gasverbrauch, etwa den Bewohnern von Villen aus den 1970er-Jahren mit Schwimmbad.“
Der Ökonom forderte, dass Regierung und Bundestag eine Höchstzahl der maximal geförderten Kilowattstunden festlegen sollten. Insgesamt sei das Kommissionsergebnis aber eine „gute Vorlage“. Es räche sich allerdings, dass die Politik das Thema Gaspreisanstieg zu lange verschleppt habe. Auch die Gewerkschaft Verdi, die an der Kommission beteiligt war, zeigte sich mit dem Ergebnis teilweise unzufrieden und gab ein „Sondervotum“ ab.
„Das vorgeschlagene Modell der Gaspreisbremse ist nicht ausreichend sozial ausbalanciert“, sagte Verdi-Chef Frank Werneke. Durch das Modell werde eine Zwei-Zimmer-Wohnung genauso behandelt wie eine Villa mit Pool. „Deshalb brauchen wir für ein gerechteres Modell zusätzliche soziale Haltelinien.“ Der vorliegende Bericht beinhalte aber, trotz der „unzureichenden sozialen Balance“, konkrete Verbesserungen.
„Ich stimme dem Bericht deshalb zu und fordere, im folgenden politischen Prozess konkrete Verbesserungen an der Gaspreisbremse mit sozialen Haltelinien umzusetzen“, so Werneke. Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) reagierte auf der anderen Seite noch deutlich negativer auf die Vorschläge des Gremiums. „Das ist zu wenig und stoppt den massenweisen Exodus unternehmerischer Existenzen nicht“, sagte BVMW-Bundesgeschäftsführer Markus Jerger den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Dienstagsausgaben). Die Lage des Mittelstands in Deutschland werde mit dem Vorschlag „schlicht ignoriert“. Greife die Gaspreisbremse erst ab März, werde es „für einen Großteil der Mittelständler bereits zu spät sein“, sagte der Chef des Mittelstandsverbandes. Als nicht ausreichend bewertet Jerger auch die Übernahme der Abschlagszahlung: „Die Dezember-Lösung mit der Sonderzahlung ist nett gemeint, aber nur ein Tropfen auf einen glühenden Stein.“ Hunderttausende Betriebe stünden vor dem Aus. Die Politik müsse dem Mittelstand eine größere Priorität einräumen und sofort und zielgerichtet handeln, forderte Jerger.
Die Expertenkommission hatte ihren „Zwischenbericht“ am Montagvormittag vorgestellt. Er beinhaltet mehrere Maßnahmen. In einer ersten Stufe wurde eine Einmalzahlung im Dezember 2022 vorgeschlagen. De Gaskunden sollen demnach im Dezember 2022 eine Einmalzahlung auf Basis des Verbrauchs erhalten, welcher der Abschlagszahlung vom September 2022 zugrunde gelegt wurde. Diese Einmalzahlung soll als „finanzielle Brücke“ bis zur regulären Einführung der „Gaspreisbremse“ dienen. Konkret soll der Staat als Zahler die Abschläge aller Gaskunden außer der Industrie und den Stromerzeugungskraftwerken für einen Monat übernehmen. Eine „Gas- und Wärmepreisbremse“ soll nach dem Willen der Kommission dann ab März 2023 greifen. Konkret wird ein garantierter Brutto-Preis inklusive aller staatlich induzierter Preisbestandteile von 12 ct/kWh für Gas für ein „Grundkontingent“ der Gasverbrauchsmenge vorgeschlagen. Das „Grundkontingent“ beträgt demnach 80 Prozent des Verbrauchs, der der Abschlagszahlung aus September 2022 zugrunde gelegt wurde. Der erhaltene Betrag muss nach dem Willen der Experten nicht zurückgezahlt werden, selbst wenn der tatsächliche Verbrauch in der Jahresendabrechnung von der angenommenen Menge abweicht. Damit soll der „volle Energiesparanreiz“ bestehen bleiben. Analog zum Gaspreis soll ein garantierter Brutto-Preis von 9,5 ct/kWh für Fernwärme für ein Grundkontingent von 80 Prozent eingeführt werden. Für industrielle Verbraucher wurden weitere Maßnahmen vorgeschlagen. So soll grundsätzlich ein zu entlastendes Kontingent des Gasverbrauches definiert werden, welches sich „im Regelfall an 70 Prozent des Verbrauches des Jahres 2021“ bemessen soll. Für die verbliebene Menge des Gasverbrauchs soll der volle vertraglich vereinbarte Marktpreis fällig werden. Für das Grundkontingent soll ein Beschaffungspreis von 7 ct pro kWh definiert werden. Es wird erwartet, dass sich die Bundesregierung zeitnah mit den Vorschlägen der Kommission befassen wird.
Foto: Heizungsrohre (dts)