Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) warnt vor den Folgen der Energiekrise für den Aufbau Ost. „Ich habe jetzt seit drei Jahrzehnten am Aufbau des Landes mitgewirkt und kann mich an keine Lage erinnern, die auch nur annähernd so ernst gewesen ist“, sagte er der „Welt“ (Montagsausgabe).
„Man muss deutlich sagen: In dieser Krise stehen die Erfolge, die wir beim Aufbau Ost mühsam erarbeitet haben, auf dem Spiel.“ In seinem Bundesland hätten bereits mehrere Betriebe die Produktion deutlich gedrosselt oder ganz heruntergefahren. Das Problem sei nicht in erster Linie, „dass wir Gas zur Energieversorgung brauchen“. Man benötige Erdgas zur stofflichen Verwertung. Da die Produktionskosten sich vervielfacht hätten und die Unternehmen nicht mehr rentabel arbeiten könnten, würden Anlagen abgestellt. Auch durch die hohen Uniper-Umlagen „steigen die Produktionskosten zusätzlich extrem“. Wenn das Preisniveau sich nicht ändere, „werden hier Betriebe schließen und dahin abwandern, wo günstiger produziert werden kann“. Haseloff forderte „schnell Prioritätenlisten, welche Unternehmen und Industrien wir hier aus strategischen Gründen stützen und halten wollen“.
Es wäre sinnvoll, Düngemittel und AdBlue im eigenen Land zu produzieren und nicht aus dem Ausland zu importieren. „Da machen wir uns doch schon wieder abhängig von autoritär regierten Ländern, in denen Menschenrechte nicht viel gelten“, sagte Haseloff. Von einer Öffnung der Gaspipeline Nord Stream 2 hält Haseloff nichts. Putin nutze die Drosselung der Gaszufuhr, um die EU und vor allem die Bundesrepublik politisch zu destabilisieren.
„Das würde sich durch eine Öffnung von Nord Stream 2 nicht ändern. Ich halte das für eine Scheindebatte.“ Ein langer Krieg stelle nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa vor riesige Herausforderungen. „Das führt letztlich zu einem gesellschaftlichen Dauerstress, den Populisten und Extremisten versuchen, für sich zu nutzen.“
Im Moment schließe sich „ein Hufeisen von ganz rechts und ganz links“. Ihn erinnere das an „die schlimmsten Momente der Weimarer Republik, wo KPD und NSDAP gemeinsame Sache gemacht haben“, sagte Haseloff. Er stelle das Recht auf Demonstrationsfreiheit aber nicht infrage, „dafür bin ich ja selber in der Wendezeit bei den Montagsdemos auf die Straße gegangen“. Demonstrationen vor der russischen Botschaft „könnte ich verstehen“, sagte der Ministerpräsident.
„Da sitzen die Repräsentanten jener, die diesen Krieg und diese Krise zu verantworten haben. Eine Kampagne von linken und rechten Extremisten, Schulter an Schulter, hätte ich nicht für möglich gehalten.“
Foto: Reiner Haseloff (dts)