Berlin – Angesichts der schwierigen Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung müssen die Beiträge im kommenden Jahr möglicherweise stärker steigen als von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplant. „Wir haben eine fragile Situation“, sagte die Vorsitzende des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann, dem „Handelsblatt“.
Der Minister müsse verstehen, dass die Kassen leer seien. Schon jetzt machten sich höhere Energiepreise und die Inflation im Gesundheitssystem bemerkbar. „Dann würde das Defizit noch größer ausfallen – und die 0,3 Prozentpunkte auch nicht mehr ausreichen“, sagte sie. „Die Beiträge müssten dann im kommenden Jahr noch stärker steigen als von Lauterbach geplant, trotz aller Maßnahmen.“
Rutsche Deutschland in eine Rezession, würde dies auch das Kassensystem in eine „historische Krise“ stürzen. „Darauf ist niemand vorbereitet“, sagte Reimann weiter. Zum Problem würde dann, dass die Kassen nach Plänen des Gesundheitsministers auch weitere Reserven abführen müssen. „Das schränkt aber die Zahlungsfähigkeit der Kassen weiter ein und verhindert Investitionen in eine bessere Gesundheitsversorgung. Außerdem kann es dazu führen, dass Kassen in ernste Schwierigkeiten geraten und sogar Insolvenz anmelden müssen“, sagte Reimann.
„Man möchte sich das bei einer großen Kasse nicht vorstellen.“ Schon jetzt sieht Reimann keinen Spielraum mehr für weitere Ausgaben, etwa für die von Lauterbach angekündigten Gesundheitskioske und Teile der Krankenhausreform. „Auch für die vielen gut gemeinten Absichten im Koalitionsvertrag sind die Kassen leer. Das betrifft etwa mehr Geld für Pflegepersonal im Krankenhaus, die Herausnahme der Kinder- und Jugendmedizin sowie Geburtshilfe aus dem Fallpauschalensystem oder die Übernahme der medizinischen Behandlungspflege für Bewohner in Pflegeheimen.“
Die Vorsitzenden des AOK-Bundesverbands beziffert die Kosten für die Vorhaben auf zehn Milliarden Euro. „Und das sind alles Projekte, die Lauterbach eigentlich noch umsetzen muss.“
Foto: AOK (dts)