Berlin – Während viele Kunden im Fernverkehr teilweise über stundenlange Verspätungen klagen, ist die Situation im Güterschienenverkehr offenbar noch deutlich dramatischer. Dort sind selbst tagelange Verspätungen inzwischen keine Seltenheit mehr.
Derzeit stünden 300 Züge mindestens einen Tag auf freier Strecke herum, in einzelnen Fällen sogar bis zu zwei Wochen, berichtet die FAZ (Mittwochausgabe) unter Berufung auf „Branchenkreise“. Die Lokführer müssten die Züge dann auf Überholgleisen parken und sich auf die nächste Straße durchkämpfen, um irgendwie nach Hause zu kommen. Die Gründe dafür sind vielschichtig: Das Baustellenmanagement der Deutschen Bahn gilt schon seit Jahren als schlecht und ineffektiv, hinzu kommt eine mangelhafte Kommunikation und Koordination. Ein Lokführer sagte der Zeitung, dass er stundenlang damit beschäftigt ist, Züge ausfindig zu machen, anstatt sie planmäßig über die Schienen zu lenken. „Die Situation hat sich in den letzten Wochen dramatisch zugespitzt“ warnt der Beauftragte der Bundesregierung für den Schienenverkehr, Michael Theurer (FDP), in der FAZ. „Wir brauchen dringend eine Inventur und dann eine Generalsanierung. Es muss unter dem rollendem Rad saniert werden.“ In der vergangenen Woche hat laut FAZ-Bericht ein Krisengespräch zwischen dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und der Deutschen Bahn stattgefunden, weil die Kunden nicht mehr gewillt sind, wochenlang auf Produkte zu warten. Dabei soll zumindest Einigkeit bestanden haben, dass sich etwas ändern müsse, heißt es aus Teilnehmerkreisen.
Doch es fehlt allerorten die Zuversicht, dass dies bald geschehen kann. Die Warnung an das Bahn-Management trifft den Konzern in einer Zeit, in der der Staatskonzern durch das 9-Euro-Ticket und durch die ambitionierte Zielen der Politik für die Steigerung der Passagier- und Güterverkehrszahlen in arger Bedrängnis ist. Ende April hat der bisherige Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla sein Amt niedergelegt, seitdem wird ein Nachfolger gesucht.
Foto: Güterzug (dts)