Die Zahl der politisch motivierten Straftaten ist im Jahr 2021 in Deutschland erneut deutlich gestiegen.
Insgesamt registrierten die Sicherheitsbehörden 55.048 Fälle, teilte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Dienstag mit. Das ist ein Anstieg um 23 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und der höchste Stand seit Einführung der Statistik im Jahr 2001.
Auch die Zahl der politisch motivierten Gewalttaten stieg um 16 Prozent auf 3.889 Delikte. Der Gesamtzuwachs sei vor allem eine Folge der besonders stark gestiegenen Straftaten, die nicht den klassischen Bereichen der politisch rechts oder politisch links motivierten Kriminalität zuzuordnen seien, so das Innenministerium. Mit 21.339 erfassten Fällen machen diese Taten inzwischen fast 40 Prozent der gesamten politisch motivierten Straftaten aus.
Ein wesentlicher Teil dieser Taten wurde im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie erfasst (7.142 Straftaten). Zudem wurden im Zusammenhang mit Wahlen, insbesondere der Bundestagswahl 2021, 7.298 Straftaten registriert. „Die politisch motivierte Kriminalität ist ein Gradmesser für die Intensität von gesellschaftlichen Konflikten“, sagte Faeser.
„Wir haben 2021 sehr viele Straftaten im Zuge der Corona-Proteste registriert – bis hin zu exzessiven Gewaltdelikten.“ Der Höhepunkt dieser Gewalt sei der Mord an einer Tankstelle in Idar-Oberstein durch einen Mann gewesen, der das Tragen einer Maske verweigerte. Die meisten politisch motivierten Straftaten wurden auch im Jahr 2021 im Phänomenbereich „PMK rechts“ begangen.
Nach dem Höchststand im Jahr 2020 sanken die Fallzahlen um rund sieben Prozent auf 21.964 Straftaten. Allerdings wurden im vergangenen Jahr 41 Prozent der insgesamt erfassten Opfer von Gewalttaten von rechtsmotivierten Tätern verletzt. Insgesamt liegt die Anzahl der rechtsextremen Gewalttaten bei 1.042 (gegenüber 1.092 im Vorjahr).
Im Bereich der Hasskriminalität hat sich eine leichte Zunahme um rund zwei Prozent auf 10.501 gezeigt. Vier von fünf dieser Straftaten wurden im Phänomenbereich „PMK rechts“ begangen. Auch im Themenfeld „Reichsbürger/Selbstverwalter“ stiegen die Fallzahlen stark auf 1.335 Straftaten.
Dies entspricht einer Zunahme um rund 73 Prozent. Die Zahl der Gewalttaten hat sich auf 239 Delikte etwa verdoppelt. Die Landesbehörden haben zwischen 2016 und dem Ende des vergangenen Jahres 1.050 waffenrechtliche Erlaubnisse im Phänomenbereich „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ entzogen.
Antisemitischen Straftaten legten um 29 Prozent auf 3.027 zu. 84 Prozent dieser Straftaten wurden im Phänomenbereich „PMK rechts“ verzeichnet. Bei rund 61 Prozent der antisemitischen Delikte handelt es sich um Volksverhetzungen (+40 Prozent), von denen wiederum die Hälfte im Internet verübt wurde.
Ungefähr die Hälfte der antisemitischen Straftaten wurden im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie begangen. Auffällig ist aber auch der islamistisch geprägte Antisemitismus, der Hass gegen Juden und gegen den Staat Israel offen propagiert. Im Phänomenbereich „PMK links“ sank die Zahl der Delikte um rund acht Prozent auf 10.113 Straftaten.
Bei den Gewalttaten haben die Polizeibehörden einen Rückgang um etwa 21 Prozent auf rund 1.203 Delikte registriert. Der Rückgang ist dem Ministerium zufolge insbesondere auf einen coronabedingten weitgehenden Verzicht auf Großveranstaltungen im linken Spektrum zurückzuführen. Nach wie vor sei jedoch von einer besonders hohen Gewaltbereitschaft auszugehen, wie der hohe Anteil von Gewalttaten von rund zwölf Prozent belege.
Im Phänomenbereich „PMK ausländische Ideologie“ wurde ein Zuwachs um 14 Prozent auf 1.153 Straftaten registriert, davon 140 Gewalttaten (2020: 113). Ursächlich sind insbesondere Resonanzstraftaten im Zusammenhang mit dem Israel-Palästina-Konflikt und einem Anstieg der Veranstaltungen im Themenkomplex Türkei/Kurden/PKK. Die Fallzahlen im Phänomenbereich „PMK religiöse Ideologie“ entsprachen mit 479 Delikten etwa dem Vorjahresniveau. Die Anzahl der Gewalttaten nahm hier um rund 40 Prozent auf 60 Fälle zu. Im Themenfeld „Geschlecht/sexuelle Identität“ wurden 340 Delikte an das Bundeskriminalamt gemeldet. Das entspricht einem Anstieg um 66 Prozent. Bei den Gewaltdelikten wurde ein Zuwachs um 42,5 Prozent registriert. Auch im Themenfeld „Sexuelle Orientierung“, in dem homophobe Straftaten erfasst werden, sind die Fallzahlen um rund 50 Prozent auf 870 Delikte angestiegen. Die 164 Gewalttaten in diesem Themenfeld bewegen sich etwa auf Vorjahresniveau. Bei diesen beiden Themenfeldern sei jedoch von einer besonders hohen Dunkelziffer auszugehen, so das Innenministerium.