Berlin – Der Tübinger Konfliktforscher Andreas Hasenclever hält die Gefahr eines Atomschlages durch Russland „für sehr gering – wie übrigens alle Kollegen, die ich kenne“. Die russische Militärdoktrin lege fest, „dass der Einsatz von Atomwaffen erst denkbar wird, wenn es ans Eingemachte geht, also wenn die nationale Souveränität oder die territoriale Integrität Russlands oder die Macht des Regimes bedroht ist“, sagte der Politologe dem „Handelsblatt“.
All das sei aber nicht der Fall. Das gelte auch für die kleineren „taktischen“ Atomwaffen. „Davon hat Russland etwa 2.000. Die sind aber nach allem, was wir wissen, zentral gelagert, also nicht einsatzbereit“, so Hasenclever. Und selbst wenn, würde ein Einsatz etwa im Donbass die russischen Truppen selbst massiv gefährden. „Und der Abwurf über einer Stadt wäre das Überschreiten einer dicken roten Linie, auf die die USA sehr nachhaltig reagieren würden. Damit wäre dann das Risiko eines solchen Einsatzes für Russland deutlich größer als jeder potentielle Nutzen.“ Der Sinn der Drohungen sei reine Abschreckung: „Putin signalisiert: Lasst mich in meinem Hinterhof in Ruhe – so wie damals beim Prager Frühling und in Ungarn, aber auch bei der Besetzung der Krim“. Damit habe er erreicht, dass die NATO den Ruf nach einer Flugverbotszone über der Ukraine „sehr schnell kategorisch ausgeschlossen hat“, meint der Tübinger Politikwissenschaftler. In Deutschland habe er „erhebliche Verunsicherung erzeugt, so dass der Kanzler sehr lange gezögert hat, schwere Waffen zu liefern“.
Foto: Kreml (dts)