Das transatlantische Verhältnis wird sich nach Einschätzung von EVP-Chef Manfred Weber unabhängig vom Ausgang der Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten grundlegend verändern.
„Die USA positionieren sich neu, wir brechen auf in eine neue Zeit“, sagte der CSU-Politiker den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Vielleicht werde Joe Biden als „letzter transatlantischer Präsident“ in die Geschichte eingehen. „Wir steuern – mit Trump wie auch mit Harris – auf eine Zeitenwende im europäisch-amerikanischen Verhältnis zu.“
Die Europäer müssten „pragmatisch mit den USA umgehen und Lösungen in der Sache erzielen – ganz gleich, wer ins Weiße Haus einzieht“, bekräftigte Weber, der auch die Fraktion der Christdemokraten im Europaparlament führt. „Wir dürfen uns nicht an der Schulter der Amerikaner ausruhen, sondern müssen eigenständig und souverän unsere Aufgaben erledigen.“
Weber stellte sich hinter Trumps Forderung, die europäischen Nato-Mitglieder müssten mehr für Verteidigung ausgeben. „Trump trifft einen wunden Punkt Europas. Es werden nicht dauerhaft gut 330 Millionen Amerikaner 450 Millionen Europäer verteidigen“, sagte er. „Die Kernfrage ist: Schafft es Europa endlich, das militärische Gewicht aufzubauen, das dieser Kontinent längst haben müsste? Wir sind bei dem Nato-Ziel, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben, vorangekommen.“
Auf die Nachfrage, ob zwei Prozent reichten, entgegnete Weber: „Mittelfristig nein, aber der schnelle Ausbau einer europäischen Verteidigung, die diesen Namen verdient, scheitert aktuell weniger am Geld als an den Produktionskapazitäten.“ Die EU-Staaten müssten „zusammenarbeiten beim Aufbau moderner Systeme wie einer Raketenabwehr oder vielleicht auch einmal einem Flugzeugträger“ Der EVP-Chef forderte: „Wir müssen endlich unsere Lektion lernen und ein europäisches Rückgrat für die Nato aufbauen.“
Nach dem Wechsel von Trump zu Biden 2020 habe sich Europa „wieder zurückgelehnt und zu wenig Ambition gezeigt“, kritisierte Weber. „Umso mehr müssen wir jetzt in die Gänge kommen.“ Auch wenn Trump gewählt werde, müsse die Europäische Union schnell die Partnerschaft zur neuen US-Administration suchen. „Die Bundesregierung ist in den vergangenen Jahren sehr ideologisch aufgetreten“, so der EVP-Chef. Das habe Deutschland in eine schwierige Situation gebracht. „Trump sieht die Ampelregierung als einen der Hauptgegner in Europa“, so Weber. Eine eigene Position sei wichtig, aber Ideologie führe zu nichts. „Jetzt brauchen wir die ausgestreckte Hand zu den USA.“
Foto: Manfred Weber (Archiv) [dts]