SPD-Politiker aus Niedersachsen, Hessen, Sachsen-Anhalt und Hamburg sprechen sich öffentlich dafür aus, mit Boris Pistorius als Kanzlerkandidat in den Wahlkampf zu ziehen.
„Boris Pistorius macht sehr gute Arbeit, und deshalb genießt er eine hohe Anerkennung – in der Truppe, aber eben auch im ganzen Land. Er wäre zweifelsohne das beste Angebot für die Wähler, weil er die Menschen besser erreicht“, sagte Rüdiger Erben, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt, dem „Spiegel“. „Ich nehme auch an der SPD-Basis wahr, dass immer mehr Leute sich über einen Kanzlerkandidaten Pistorius freuen würden. Das Grummeln ist mit den Händen zu greifen.“
Ähnlich äußerte sich Robert Alferink, SPD-Vorsitzender der Stadt Osnabrück: „Seit Tagen werden die Stimmen lauter, die sich für Boris als Kanzlerkandidaten aussprechen.“ Pistorius war von 2006 bis 2013 Oberbürgermeister in Osnabrück. „Fast jeder hier kennt Boris persönlich und weiß, was er kann“, so Alferink. „Niemand will Bundeskanzler Scholz in den Rücken fallen.“ Aber zur Wahrheit gehöre auch, „dass sicher eine große Mehrheit der SPD-Mitglieder gerade hier in Osnabrück Boris für den Kandidaten mit den deutlich besseren Erfolgschancen hält.“
Auch in Hamburg veröffentlichten zuletzt zwei SPD-Politiker einen Aufruf, mit Pistorius statt Scholz in den Wahlkampf zu ziehen. „Wir haben mit dem Instagram-Eintrag einen Impuls gesetzt, um eine Debatte um den SPD-Kanzlerkandidaten zu beginnen“, sagte Markus Schreiber, der für die SPD in der Hamburger Bürgerschaft sitzt und den Aufruf mitverfasste, dem „Spiegel“. „Ich habe nicht gedacht, dass die Resonanz so groß werden würde. Allein bei Instagram habe ich mehr als 500 Reaktionen bekommen, die waren zu 80 Prozent positiv.“
Auch aus der Funktionärsebene habe es Zustimmung gegeben, sagte Schreiber. „Parteileute sagen: `So was macht man nicht, aber recht hast Du.` Ich aber halte es für falsch, Dinge nur aus vermeintlicher Parteiräson nicht zu sagen.“
Den Ausschlag für den Aufruf habe für ihn Olaf Scholz` Auftritt bei Caren Miosga am vergangenen Sonntag gegeben. „Man sah einen Kanzler, der überhaupt keine Selbstkritik erkennen ließ“, so Schreiber. „Ich wundere mich, dass wir in der SPD wie Lemminge auf den Abgrund zulaufen.“ Er sehe die Gefahr, „dass wir auf Platz vier landen, noch hinter AfD und Grünen“. Das wäre eine Katastrophe für das Land. „Ich glaube kaum, dass die SPD mit Olaf Scholz viel mehr als 15 Prozent holen kann.“ Schreiber hält einen Kandidatenwechsel jedoch nicht für gegeben: „Olaf Scholz müsste zurückziehen, sonst wird Boris Pistorius kein Kanzlerkandidat. Da bin ich Realist.“
Foto: Boris Pistorius und Olaf Scholz (Archiv) [dts]