Außen- und Verteidigungsexperten von Grünen, FDP und Union haben vor dem Treffen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an diesem Freitag die Lieferung deutscher Waffensysteme mit größerer Reichweite an das von Russland angegriffene Land gefordert. Grünen-Europapolitiker Anton Hofreiter sagte der „Rheinischen Post“ (Freitagausgabe): „Wir müssen deutlich mehr Luftverteidigung, Munition und weitreichende Waffen an die Ukraine liefern.“
„Reichweitenbeschränkungen gelieferter Waffen tragen nicht zur Deeskalation bei, sondern ermöglichen weitere russische Angriffe“, mahnte der Grünen-Politiker.
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Europaparlament, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), sagte: „Es käme einem Wunder gleich, wenn Selenskyj grünes Licht vom Bundeskanzler bekäme, dass Deutschland der Ukraine weitreichende Waffensysteme zur Verfügung stellen würde.“ Die Hoffnung Selenskyjs beruhe ja immer noch darauf, dass die USA und Großbritannien ihm solche Waffen zur Verfügung stellen.
„Der Kanzler, der wie ein Mantra immer vor sich hergetragen hat, solche Entscheidungen mit den USA und Großbritannien abzustimmen, hat ja bedauerlicherweise im Alleingang erklärt, dass er solche Waffen nicht zur Verfügung stellt, obwohl er weiß, dass diese russische Raketenabschussrampen zerstören könnten“, sagte Strack-Zimmermann mit Blick auf die Debatte über die Lieferung deutscher Taurus-Marschflugkörper. Damit gehe Deutschland seinen eigenen Weg.
„Die Ukraine ist im Begriff zu ertrinken, und nach wie vor werfen wir ihr nur Rettungsringe zu, um sie vor dem Ertrinken zu retten“, kritisierte Strack-Zimmermann. „Warum ist dieser Bundeskanzler nicht dazu bereit, seinen Teil dazu beizutragen, die Ukraine aus dem Wasser zu ziehen?“
Strack-Zimmermann ergänzte: „Ich wünsche mir sehr, dass Selenskyj dem Kanzler noch einmal klarmacht, dass, sollte die Ukraine diesen Krieg verlieren, das nicht der letzte Krieg in Europa gewesen ist.“
Der CDU-Verteidigungsexperte Johann Wadephul erneuerte seine Forderung, der Ukraine deutsche Marschflugkörper zur Verfügung zu stellen. „Die Lieferung von Taurus wäre eine wichtige Hilfe. Das zeigen die erfolgreichen ukrainischen Angriffe auf russische Depots weit im Hinterland durch Marschflugkörper mit vergleichbarer Schlagkraft.“ Aber es gehe um viel mehr, so Wadephul.
Er rief Scholz dazu auf, „in jeder Hinsicht“ der Ukraine beizustehen. Russlands Präsident Wladimir Putin werde „sehr genau hinschauen, wie der Besuch Selenskyjs verlaufen wird. Es ist zu hoffen, dass Scholz sich dieser Tatsache bewusst ist“, sagte der CDU-Politiker.
Foto: Olaf Scholz und Toni Hofreiter (Archiv) [dts]