SPD zurückhaltend bei FDP-Vorstoß für strengere Migrationspolitik

Beim Koalitionspartner SPD wird der Vorstoß der FDP für migrationspolitische Verschärfungen zurückhaltend zur Kenntnis genommen.

Dirk Wiese, der Vizevorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, sagte der „Welt“, derzeit werde das Sicherheitspaket mit migrationspolitischen Gesetzesänderungen „in der Ampel-Koalition verhandelt. Diese Gespräche gilt es abzuwarten. Wir sollten uns davor hüten, den Ton in der Debatte zu überdrehen. Das stärkt am Ende nur den rechten Rand. Gerade an die Adresse der FDP sage ich: Wir brauchen klare Regelungen, aber auch die Offenheit, Migration als Chance für den Arbeitsmarkt zu begreifen.“

Der FDP-Fraktionsvorstand hatte am Wochenende ein „Neun-Punkte-Papier“ für eine strengere Migrationspolitik beschlossen, das mehrere Vorschläge aufgreift, die von schwarz-grün regierten Bundesländern vorgebracht worden waren. Stephan Thomae, der Parlamentsgeschäftsführer der FDP, sagte der „Welt“: „Die Signale aus den Ländern zeigen, dass jetzt selbst in schwarz-grün regierten Ländern Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein die Bereitschaft vorhanden ist, die von uns geforderte Migrationswende umzusetzen. Das begrüßen wir, aber es reicht nicht aus.“ Zusätzlich müssten Anreize für die Sekundärmigration nach Deutschland beseitigt werden. Daher sei es „notwendig, die Leistungen für ausreisepflichtige Asylbewerber auf die Deckung von Grundbedürfnissen wie Nahrung, Wohnung, Kleidung, Körperhygiene und Medikamente zu reduzieren. Alle darüberhinausgehenden Geld- und Sachleistungen müssen bis auf die Rückreisekosten eingestellt werden.“

Alexander Throm (CDU), innenpolitischer Sprecher der Union, sagte der „Welt“: „Nachdem die FDP zu Beginn der Ampel-Koalition zuerst die Sozialleistungen erhöht hat und Bleiberechte für abgelehnte Asylbewerber ausgeweitet hat, merkt sie so langsam, was sie damit angerichtet hat.“ Es sei „gut, dass sie nun zurückrudert“. Throm hält es für richtig, „Sozialleistungen für Geduldete, deren Ausreise objektiv möglich ist, auf das absolute Mindestmaß und eine Beihilfe zur Heimreise“ zu reduzieren.

Für AfD-Sozialpolitiker René Springer geht „der Vorschlag der FDP zu Ausdehnung von Leistungskürzungen bei Ausreisepflichtigen über Dublin-Fälle hinaus am eigentlichen Problem völlig vorbei“. Wer vollziehbar ausreisepflichtig sei und unser Land nicht freiwillig verlasse, müsse umgehend in Abschiebehaft genommen werden. „Dort gibt es dann nur noch eine Grundversorgung, nämlich Brot, Bett und Seife.“

Clara Bünger, Migrationsexpertin der Linke-Gruppe, sagte: „Die Forderung der FDP, Leistungen für ausreisepflichtige Menschen faktisch auf null zu kürzen, widerspricht dem vom Bundesverfassungsgericht mehrfach als unantastbar erklärten Existenzminimum, welches auch für Ausreisepflichtige gilt. Der Vorschlag ist daher verfassungswidrig.“

Der Ausländerrechts-Professor Daniel Thym sieht ebenfalls hohe rechtliche Hürden, die allerdings überwindbar seien. „Eine Absenkung der Leistungen auf das physische Existenzminimum für Ausreisepflichtige wäre mit einem erheblichen Prozessrisiko behaftet. Noch größer wäre das Risiko, falls sogar eine vollständige Leistungskürzung umgesetzt würde. Aber Politik hat auch die Möglichkeit, klarstellende Grundgesetzänderungen vorzunehmen“, argumentiert der Jurist in der „Welt“. „Die Bundesregierung und das Parlament entscheiden darüber mit, wie das Grundgesetz auszulegen ist, und können Karlsruhe auch die Möglichkeit eröffnen, großzügige Urteile der Vergangenheit bezüglich des Existenzminimums zu revidieren.“


Foto: Flüchtlinge an einer Aufnahmestelle (Archiv) [dts]

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