Linken-Chef Martin Schirdewan wirft dem Ostbeauftragten Carsten Schneider (SPD) Naivität im Umgang mit Ostdeutschland vor. „Der Ostbeauftragte muss endlich seine rosarote Brille absetzen und den Tatsachen ins Auge sehen. Schluss mit der Schönfärberei“, sagte Schirdewan der „Welt“ (Donnerstagausgabe).
Der Osten sei weiterhin „Niedriglohnregion“, viele arbeiteten zum Mindestlohn. „Das Jahresbruttogehalt von Vollzeitbeschäftigten liegt hier im Durchschnitt fast 10.000 Euro unter dem im Westen.“ Schneider rief ostdeutsche Jugendliche zuvor auf, für Studium oder Ausbildung nicht mehr in den Westen zu ziehen. Die Millionen Menschen, die nach der Wende aus Ostdeutschland weggezogen sind, fehlten heute, so der Ostbeauftragte.
Schirdewan verweist auf die wirtschaftlich besseren Umstände im Westen, die jenen Trend erst hervorriefen. „Kein großer Dax-Konzern hat seinen Sitz im Osten – auch deshalb finden Forschung und Entwicklung größtenteils im Westen statt“, so der Linken-Chef. „Wer schon jetzt an die Rente denkt, geht lieber in den Westen, denn die zukünftige Rente hängt vom Lohnniveau ab – und das ist im Osten nun einmal niedriger, auch weil die Tarifbindung gering ist.“
Die Arbeitslosenquote sinke nicht wegen einer Zunahme an Arbeitsmöglichkeiten, sondern weil viele, die nach der Wende arbeitslos wurden, nun in Rente gingen und die Jungen weggezogen seien, so Schirdewan. Die Bundesregierung brauche eine neue Strategie für die weitere Entwicklung Ostdeutschlands – und müsse hierfür eine große „Ost-Konferenz“ einberufen. „Der Osten vergreist und ich sehe keine Strategie der Bundesregierung, wie man dem etwas entgegensetzen will.“
Es brauche „gewaltige und vor allem nachhaltige Investitionen in den Standort Ostdeutschland“, beispielsweise durch „Cluster“, in denen Forschung, Entwicklung und Produktion in den Osten verlagert werde. „Nur so können wir neue und gut bezahlte Arbeitsplätze schaffen, die jungen Menschen eine echte Perspektive bieten“, sagte der Linken-Chef.
Foto: Martin Schirdewan (Archiv) [dts]