Thüringer Verfassungsgericht soll Streit um Landtagssitzung klären

Bei der konstituierenden Sitzung des Thüringer Landtags hat die CDU das Landesverfassungsgericht angerufen, um einen Streit mit dem sitzungsleitenden Alterspräsidenten von der AfD zu klären. Die Sitzung wurde daraufhin bis Samstag unterbrochen.

Im Zentrum der Auseinandersetzung steht die anstehende Wahl des Landtagspräsidenten. Für dieses Amt hat laut Geschäftsordnung die AfD als stärkste Fraktion das Vorschlagsrecht. Fällt Wiebke Muhsal, die von der AfD nominiert wurde, bei der Wahl durch, hat sie einen zweiten Versuch. Scheitert sie auch dann, können neue Bewerber vorgeschlagen werden. Ob diese Vorschläge nur von der stärksten Fraktion oder auch von anderen Fraktionen kommen dürfen, ist in der Geschäftsordnung nicht näher beschrieben.

CDU und BSW haben daher einen Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung gestellt, wonach alle Fraktionen direkt Kandidaten vorschlagen dürfen. Sie wollen damit die Wahl von AfD-Politikern für das Amt abwenden. Die geschäftsführende Präsidentin des alten Landtags, Birgit Pommer (Linke), hatte auf der Neufassung der Einladung zur Plenarsitzung den Tagesordnungspunkt noch vor dem Tagesordnungspunkt zur Wahl des Landtagspräsidenten eingefügt. Jürgen Treutler (AfD), der als ältester Abgeordneter in seiner Funktion als Alterspräsident, die Sitzung leitet, bis ein Landtagspräsident gewählt ist, wollte dieser Tagesordnung nicht folgen und bezeichnete das Vorgehen der anderen Parteien als rechtswidrig.

Er unterbrach die Sitzung bereits nach wenigen Minuten, da der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Andreas Bühl, beantragte, die Beschlussfähigkeit festzustellen. Alterspräsident Treutler entschied nach der kurzen Pause und Beratungen mit den parlamentarischen Geschäftsführern, dass er erst seine Rede halten würde. Nach der Rede kam es wegen derselben Frage erneut zu einer Unterbrechung.

Im Anschluss wies Treutler den Antrag zur Feststellung der Beschlussfähigkeit zurück. Der Chefjurist des Thüringer Landtags, Landtagsdirektor Jörg Hopfe erklärte daraufhin: „Das ist rechtswidrig.“ Treutler erwiderte, er solle ihn nicht unterbrechen. Die Geschäftsordnung des Landtags sieht vor, dass Abgeordnete jederzeit Geschäftsordnungsanträge stellen können.

Bühl pochte auf seinen Antrag, woraufhin Treutler ihm mit Verweis auf seine Redezeit zwei Ordnungsrufe erteilte. „Was Sie hier treiben, ist Machtergreifung“, entgegnete der CDU-Politiker.

Nach einer abermaligen Unterbrechung stellten die Fraktionen in Frage, ob der Alterspräsident die Befugnisse eines regulären Landtagspräsidenten habe. Dieser dürfe etwa keine Ordnungsrufe erteilen. Im Anschluss an die Rede Treutlers drängten die Fraktionen mit Ausnahme der AfD darauf, den Geschäftsordnungsantrag abzustimmen.

Treutler versuchte, die Sitzung ein fünftes Mal zu unterbrechen, doch die Fraktionen erkannten die Unterbrechung angesichts der zu behandelnden Anträge nicht an. Es wurden Rufe laut, dass der zweitälteste Abgeordnete, ebenfalls von der AfD, an Treutlers Stelle die Sitzung fortführen solle, um die Rechte der Abgeordneten zu wahren. Nach der Rückkehr des Alterspräsidenten wies der Landtagsdirektor erneut darauf hin, dass über die Geschäftsordnungsanträge abgestimmt werden muss.

In einer weiteren Pause einigten sich die Geschäftsführer der Fraktionen darauf, dass alle Fraktionen im Plenum ihre Rechtsauffassung zum weiteren Vorgehen darstellen sollen. Die Fraktionen, mit Ausnahme der AfD, verwiesen auf das Selbstorganisationsrecht des Parlaments, auf die Geschäftsordnung und auf die Tagesordnung, wie sie die frühere Landtagspräsidentin in der Sitzungseinladung zugestellt hat. Der Alterspräsident schloss sich der Ansicht seiner Fraktion an, die Anträge vor der Wahl des Landtagspräsidenten für unzulässig hält.

Er erteilte schließlich dem Geschäftsführer der CDU das Wort, der daraufhin das Landesverfassungsgericht anrief, um den Streit rechtlich zu klären. Die Sitzung soll am Samstag fortgesetzt werden. Es wird erwartet, dass das Verfassungsgericht bis dahin sein Urteil gefällt hat.


Foto: Thüringer Landtag (Archiv) [dts]

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