Im Zusammenhang mit propalästinensischen Demonstrationen und Hörsaalbesetzungen beobachtet der Verfassungsschutz extremistische Gruppen auch an deutschen Universitäten. „Selbstverständlich interessieren wir uns für Gruppierungen wie Young Struggle, eine türkisch-kommunistische Jugendorganisation“, erklärte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, gegenüber ZDF-Magazin „Frontal“: „Hier darf es nicht dazu kommen, dass sich solche Bestrebungen weiter ausbreiten und ihre Spielfelder für Agitation bekommen.“
Die linksextremistische Gruppe Young Struggle war im Dezember 2023 an einer Hörsaalbesetzung an der Freien Universität Berlin beteiligt. Laut dem aktuellen Verfassungsschutzbericht ist Young Struggle „einer der aktivsten extremistischen Akteure in Bezug auf Mobilisierung, Organisation und Teilnahme an propalästinensischen Versammlungen“.
Seit dem Überfall der Hamas auf Israel und dem Gaza-Krieg beobachtet der Verfassungsschutz in Deutschland neue Allianzen zwischen Gruppen, die sonst wenig Schnittmengen haben, so Haldenwang: „Unterschiedlichste extremistische Gruppierungen haben jetzt als gemeinsames Ideologie-Element den Antisemitismus.“ Neben Rechtsextremismus und islamistischem Antisemitismus gebe es nun auch deutsche linksextremistische Gruppierungen, die auf Seiten der Palästinenser und oft auf Seiten der Hamas stünden. Die Extremisten würden versuchen, eine antisemitische Ideologie in die Mitte der Gesellschaft zu tragen. „Insofern werden auch wieder Dinge sagbar in Deutschland, die man sich lange Jahre nicht hätte vorstellen können. All das macht diese neue Bedrohung aus.“
Allein im vergangenen Jahr gab es 5.164 Straftaten mit antisemitischem Hintergrund, davon eben 148 Gewalttaten, 90 Prozent davon Körperverletzungsdelikte. „Wir haben in einem nicht dagewesenen Ausmaß seit Ende des Zweiten Weltkriegs Antisemitismus in Deutschland wahrzunehmen“, so Haldenwang.
„Von vielen jüdische Menschen höre ich, sie haben einen gepackten Koffer in ihrer Wohnung stehen und überlegen, wann ist der richtige Zeitpunkt, das Land zu verlassen. Allein der Umstand, dass sich die Menschen derartige Gedanken machen, ist aus meiner Sicht im Land des Holocaust unerträglich.“
Foto: Pro-Palästina Camp an der Uni Bonn (Archiv) [dts]