Bonner Diplomaten haben auf die spätere Kanzlerin Angela Merkel offenbar zunächst gönnerhaft herabgeblickt. Das legt ein Bericht nahe, den der Generalkonsul in San Francisco Elmar Weindel nach einem Besuch Merkels 1993 für das Auswärtige Amt (AA) schrieb und über den der „Spiegel“ berichtet.
Merkel war damals Ministerin für Frauen und Jugend im Kabinett Helmut Kohls. Weindel hatte nach eigenen Angaben der Besucherin ein „sehr anregendes Damen-Abendessen“ ausgerichtet, bei dem sie „Eindrücke von der sozialen und politischen Wirklichkeit in Kalifornien“ gewonnen habe. Merkel habe stets Englisch gesprochen – und durch „ihre unprätentiöse und ungekünstelt erfrischende Art überzeugt, die durch ihre Einfachheit und Ehrlichkeit bestach“. Ein Diplomat des USA-Referats setzte ein Ausrufezeichen an den Rand.
Besonders scheint Weindel gefallen zu haben, dass die Ministerin mit DDR-Vergangenheit „von ihren ostdeutschen Landsleuten“ mehr Verantwortungsbereitschaft im Vereinigungsprozess verlangte. Das habe Merkels Glaubwürdigkeit erhöht.
Heute hat Merkel laut einer Sprecherin „sehr gute Erinnerungen an ihre USA-Reise 1993, aber keine besonderen, die sie mit der Öffentlichkeit teilen würde“. Die Aufzeichnung Weindels findet sich in einer Dokumentensammlung, die nun das Institut für Zeitgeschichte im Auftrag des AA veröffentlicht.
Foto: Angela Merkel (Archiv) [dts]