Die Personalräte der Jobcenter kritisieren eine Ungleichbehandlung von Geflüchteten und anderen Bürgergeldempfängern durch den sogenannten „Jobturbo“. Wenn „Aktionswochen ausgerufen werden, innerhalb derer nur noch dieses Klientel eingeladen wird“, gemeint sind Geflüchtete aus der Ukraine und acht weiteren Herkunftsländern, „bewegen wir uns im Bereich der `umgekehrten Diskriminierung`“, heißt es in einem Schreiben, über das der „Spiegel“ berichtet.
Der Brief ist an Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), die Chefin der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles, und den Landkreistagspräsidenten Reinhard Sager adressiert. In dem Schreiben verweisen die Personalräte erneut auf eine Unterfinanzierung der Jobcenter. Von 2022 bis 2024 sind die Gelder des Bundes für Verwaltung und Ausbildung der Bürgergeldempfänger von 2022 bis 2024 trotz hoher Inflation nur um 5,6 Prozent erhöht worden, im gleichen Zeitraum ist aber die Zahl der Erwerbsfähigen im Bürgergeld um 13,3 Prozent gestiegen.
Durch den „Jobturbo“ sollen Geflüchtete, insbesondere aus der Ukraine, schneller in Arbeit kommen. Dafür sollen sie nicht erst die Sprache beherrschen müssen und umfassend beruflich geschult werden, bevor sie eine möglichst qualifizierte Tätigkeit aufnehmen. Stattdessen sollen sie so schnell wie möglich in Arbeit vermittelt werden, auch in Helferjobs, und Sprache und Qualifikation anschließend in begleitenden Kursen erlangen. Die Jobcenter sind gehalten, sie mindestens alle sechs Wochen einzubestellen.
Da wegen der fehlenden Mittel des Bundes nicht mehr Personal eingestellt werden kann, bedeutet das: Die anderen Bürgergeldempfänger bekommen seltener Termine. Das sei weder mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz noch mit dem Grundgesetz vereinbar, heißt es in dem Schreiben.
Zudem halten die Personalräte rechtlich fragwürdig, dass nun Geflüchtete anders als andere Bürgergeldempfänger in Helferjobs vermittelt werden sollen, auch wenn eine Qualifikation langfristig sinnvoller erschiene. „Schließlich haben wir einen Fachkräftemangel und keinen Helfertätigkeitsmangel“, heißt es in dem Schreiben. In der Sache sei die Ungleichbehandlung ebenfalls irrational, argumentiert der Vorsitzende der Personalräte, Moritz Duncker: „Der Anteil derer, die wir in Arbeit vermitteln können, ist unter den Geflüchteten ohnehin höher als im Rest unserer Kunden“, sagte Duncker dem „Spiegel“.
Außerdem beklagen die Personalräte gestiegene bürokratische Anforderungen. Die Jobcenter seien nun verpflichtet, elf zusätzliche statistische Auswertungen zu pflegen. Man könne sich des Eindrucks nicht erwehren, „dass ein schöner Datensatz längst wieder wichtiger ist als der reale Integrationsprozess“ und die tatsächliche Beratung der Geflüchteten.
Foto: Jobcenter in Halle (Archiv) [dts]