Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mahnt zu einer konsequenten Umsetzung der demokratischen Prinzipien im Grundgesetz. „An einem Feiertag wie heute mischt sich in den Stolz auch Unbehagen“, sagte er am Donnerstag in Berlin beim Staatsakt zum 75. Jahrestag der Verkündung der deutschen Verfassung.
„Manche fragen: Was bleibt von den großen Versprechen des Grundgesetzes?“, so Steinmeier weiter. Die Spannung zwischen Verfassung und Verfassungswirklichkeit sei „nicht zu übersehen“. Aber folgen müsse daraus nicht ein kritischer Blick auf die Verfassung, sondern auf die Wirklichkeit. „Denn das Grundgesetz ist keine Bilanz, sondern ein Auftrag. Nicht Ziel, sondern Kompass“, so der Bundespräsident.
„Wir leben in einer Zeit der Bewährung. Es kommen raue, härtere Jahre auf uns zu.“ Die Antwort darauf könne und dürfe jedoch nicht Kleinmut oder Selbstzweifel sein. „Es wäre ganz falsch, den Kopf in den Sand zu stecken oder von einer bequemeren Vergangenheit zu träumen. Falsch ist es nach meiner festen Überzeugung auch, täglich den Untergang unseres Landes zu beschwören.“ All das lähme und bringe nicht weiter. „Wir müssen uns jetzt behaupten – mit Realismus und Ehrgeiz. Das ist die Aufgabe unserer Zeit, Selbstbehauptung ist die Aufgabe unserer Zeit.“
Diese Selbstbehauptung bestehe darin, die Werte zu verteidigen, „die uns im Kern ausmachen“. „Die dürfen nicht zur Disposition stehen.“ Dabei gelte es aber auch, die gemeinsamen Ziele zu schärfen und an die neuen Herausforderungen anzupassen. „Und vor allem müssen wir offen reden über die Größe der Aufgabe und über die Verantwortung, die daraus erwächst, für die Politik, aber auch für jeden Einzelnen von uns.“
Als Herausforderung hob das Staatsoberhaupt die Bedrohung, die von Russland ausgehe, hervor. Um dieser zu entgegnen, forderte er Investitionen in die Verteidigung und eine Stärkung der Bündnisse Deutschlands. Darüber hinaus brauche es aber auch „gesellschaftliche Widerstandskraft“. Zudem erwartet Steinmeier, dass in den nächsten Jahren der gesellschaftliche und politische Streit zunehmen wird. „Der Kampf um finanzielle Ressourcen wird härter werden, und damit auch um das, was uns wichtig ist“, sagte der Bundespräsident.
Foto: Frank-Walter Steinmeier (Archiv) [dts]