Angesichts der Gewaltattacken auf Politiker in den vergangenen Tagen plädiert Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) für pragmatische und schnell umsetzbare Maßnahmen. „Es geht jetzt darum, Betroffenen von Gewalt ad hoc maximalen Schutz zu gewähren“, sagte Maier dem „Spiegel“.
„Das Prüfen von Gesetzesinitiativen ist nicht falsch, hilft aber nicht kurzfristig.“ Es gehe darum, direkten Kontakt zur Polizei aufzubauen, über Hotlines und Gefährdetenansprachen. „In Thüringen haben wir diese Maßnahmen schon eingeleitet“, sagte Maier. Ehrenamtliche und Menschen aus der Zivilgesellschaft dürften keine Hemmungen haben, sich an die Polizei zu wenden.
Jan Redmann, Brandenburger CDU-Vorsitzender, Chef der Landtagsfraktion und Spitzenkandidat für die Landtagswahl, sagte dem „Spiegel“: „Uns fehlen als Gesellschaft die Stammtische, an denen hitzig diskutiert wird und danach wieder ein Bier zusammen getrunken wird. Wir brauchen wieder mehr Gelegenheiten zum direkten respektvollen Austausch.“
Thorsten Frei, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, sagte dem „Spiegel“: „Unsere offene Gesellschaft lebt davon, dass die gewählten Volksvertreter gerade nicht von der Öffentlichkeit abgeschottet leben und arbeiten, sondern in einem ständigen Austausch mit den Wählern stehen. Dass Bund und Länder ihre Sicherheitskonzepte angesichts der jüngsten Vorfälle überprüfen und sich eng abstimmen, ist unerlässlich, reicht aber nicht aus.“ Wenn eine Justiz personell und digital schlecht ausgestattet sei und Häftlinge aus der Untersuchungshaft vorzeitig entlassen werden müssten, weil die Verfahren zu lange dauerten, „sendet der Rechtsstaat ein verheerendes Zeichen“, sagte Frei. Es brauche einen „turn around“ in der Justiz.
David Begrich, Sozialwissenschaftler und Theologe aus Magdeburg, forderte konkrete Verbesserungen. Es müsste zum Beispiel Standard werden, dass die Kosten – etwa von zerstochenen Reifen oder eingeworfenen Scheiben – übernommen werden. Am wichtigsten aber sei sichtbare Solidarität, gerade derer, die besser geschützt seien als Kommunalpolitiker. Wenn ein Bürgermeister attackiert werde, sagte Begrich, müsste der Ministerpräsident am besten vorbeifahren und einen öffentlichen Termin mit ihm machen. Die Zurückhaltung von Parteien, solche Angriffe nicht allzu laut oder häufig zu thematisieren, hält Begrich für falsch: „Diejenigen, die Gewaltfantasien haben oder sie sogar ausgelebt haben, müssen wieder einen Rechtfertigungsdruck empfinden“, sagte der Wissenschaftler.
Foto: Beschmiertes SPD-Wahlplakat zur Europawahl am 07.05.2024 [dts]