Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will die vorübergehenden Binnengrenzkontrollen weiter fortsetzen. „Wir werden die Kontrollen so lange fortführen, bis das neue EU-Asylsystem mit dem starken Außengrenzschutz greift“, sagte die SPD-Politikerin dem „Stern“. „Damit durchkreuzen wir vor allem die Schleuserrouten und stoppen deren brutales Geschäft.“ Faeser sagte weiter: „Wir haben durch unsere zusätzlichen Grenzkontrollen seit Oktober mehr als 750 Schleuser gefasst.“
Angesichts steigender Zahlen bei der irregulären Migration wurden Mitte Oktober vorübergehende Binnengrenzkontrollen an den Landgrenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz eingeführt. Die Kontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze bestehen seit mehreren Jahren. Für die Zeit der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland habe sie Kontrollen an allen deutschen Grenzen angeordnet, „um ein Höchstmaß an Sicherheit zu erreichen“, sagte sie.
Auf die Frage, wann es mit dem neuen und kürzlich beschlossenen Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) losgehe, antwortete Faeser: „Jetzt. Wir haben sehr ehrgeizige Zeitpläne. Unseren Teil der Umsetzung packen wir sofort an.“ Kürzlich sei sie an der EU-Außengrenze zur Türkei in Bulgarien gewesen. „Dort sollen die neuen Grenzverfahren für Menschen mit wenig Aussicht auf Schutz und der viel stärkere Grenzschutz sehr schnell beginnen.“
Nach monatelanger Prüfung lässt die Bundesinnenministerin in der Migrationspolitik Sympathien für das Albanien-Modell erkennen und geht auf Distanz zu einem Abkommen mit Ruanda. „Ich schaue mit Spannung darauf, was Italien gemeinsam mit Albanien macht“, sagte die SPD-Politikerin. Italien wolle selbst Asylverfahren in Albanien als Drittstaat abwickeln. Faeser sagte zum Albanien-Modell: „Das ist ein interessantes Modell, über das ich mich mit meinem italienischen Amtskollegen austausche.“
Faeser stellte sich gegen Forderungen, nach britischem Vorbild Flüchtlinge künftig nach Ruanda abzuschieben. Sie sei in der Migrationspolitik pragmatisch, sagte die Innenministerin. „Ob Asylverfahren in größerem Stil in einem kleinen Land wie Ruanda stattfinden könnten, wage ich aber zu bezweifeln.“ Faeser weiter: „Wie viele Flüchtlinge hat Ruanda denn bisher für andere Länder aufgenommen? Großbritannien tut sich hier – gelinde gesagt – sehr schwer.“ Viel wichtiger sei, dass man sich weiter auf den besseren Schutz der Außengrenzen und schnellere Verfahren konzentriere, so wie es die EU-Asylrechtsreform vorsehe.
Aktuell schließt die Bundesregierung ihre Prüfung ab, wie Asylverfahren in Drittstaaten auch rechtlich möglich wären. Die zentrale Frage bleibe aber auch dann noch: „Welcher Staat wäre überhaupt dazu bereit, in größerer Zahl Flüchtlinge zu übernehmen? Welches Land würde für die Sicherheit dieser Menschen sorgen und sie bei einer Ablehnung auch zurückführen? Und das alles unter Wahrung der Menschenrechte“, sagte Faeser.
Foto: Grenze zwischen Deutschland und Polen (Archiv) [dts]