Die Ankündigung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), seine geplante Finanzierungsreform der Pflegeversicherung voraussichtlich in der laufenden Wahlperiode nicht mehr umzusetzen, stößt auf breite Kritik. „Die Pflegesituation und ihre Finanzierung werden sich weiter zuspitzen, wenn wir jetzt nichts tun“, sagte Jens Teutrine, pflegepolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, der „Welt“ (Mittwochausgabe).
„Es braucht mehr pragmatischen Reformwillen statt ideologischer Ablenkungsmanöver. Mehr Steuerzuschüsse zu fordern, ohne zu sagen, wo stattdessen eingespart werden soll, ist unzureichend“, so Teutrine. „Steuererhöhungen wären Gift für das notwendige Wirtschaftswachstum.“
Pflegewissenschaftler Heinz Rothgang von der Universität Bremen, dessen Empfehlungen in diversen Pflegegesetzen umgesetzt wurden, kritisierte: „Dass der Minister einräumt, dass die Probleme in dieser Legislaturperiode nicht mehr grundlegend angepackt werden können, ist eine Bankrotterklärung der Bundesregierung, die sich – so der Gesundheitsminister – wegen interner Meinungsverschiedenheiten selbst für handlungsunfähig erklärt.“
Eugen Brysch, Vorsitzender der Stiftung Patientenschutz, warf Lauterbach vor, politische Stimmung auf Kosten hilfsbedürftiger Menschen zu machen. Dabei lenke er vom eigenen Versagen ab. „Während Lauterbach bei vielen seiner Themen voranprescht und sich für seine Ideen starkmacht, lässt er Pflegebedürftige und Beitragszahler im Regen stehen.“
Auch die Vertreter der Pflegekassen zeigten wenig Verständnis. „Ein Jahr vor Ende der Legislaturperiode wird das unbedingt Notwendige als nicht mehr machbar benannt – das ist mehr als irritierend. Angesichts der steigenden Zahlen an Pflegebedürftigen muss eine Finanzreform der Pflegeversicherung ganz oben auf der Tagesordnung stehen“, sagte Gernot Kiefer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes.
„Dem Pflegesystem in Deutschland droht der Kollaps, wenn die so wichtige Reform auf die lange Bank geschoben wird“, warnte Michaela Engelmeier, Vorsitzende des Sozialverbands Deutschland. „Es kann nicht sein, dass der Minister die Reform ablehnt, weil die Meinungen zu weit auseinanderliegen.“ Pflegebedürftige und ihre Angehörigen stünden bereits jetzt unter enormem finanziellen und emotionalen Druck. Höhere Eigenanteile und steigende Beiträge seien für viele nicht mehr tragbar.
Foto: Karl Lauterbach (Archiv) [dts]