In der EU-Kommission gibt es Unmut über den Kurs der Bundesregierung, bei Abstimmungen über Gesetzesvorhaben auf EU-Ebene wiederholt in letzter Minute ein Veto einzulegen. Deutschland sei ein „mitunter unsicherer Kandidat“ geworden, sagte EU-Haushaltskommissar Johannes Hahn den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Mittwochausgaben).
Dieses Verhalten habe den Betrieb zeitweise gestört. „Es ist aber vor allem ein emotionaler Schaden entstanden“, fügte Hahn hinzu. Bisher habe man sich darauf verlassen können, dass eine einmal von Rat und Parlament der EU erzielte Einigung auch halte. Sonst funktioniere es ja nicht.
„Diese Verlässlichkeit hat jetzt leider gelitten. Zwar ist nicht nur Deutschland ein mitunter unsicherer Kandidat geworden, aber als größtes Land hat es natürlich eine besondere Vetomacht“, sagte der aus Österreich stammende Kommissar. Die Bundesregierung hatte in Brüssel wichtige Vorhaben mehrmals durch fehlende Zustimmung überraschend verzögert, etwa das Verbot von neuen Verbrenner-Autos ab 2035 oder das Lieferkettengesetz.
Hahn äußerte sich zugleich auch selbstkritisch über die Arbeit der EU-Kommission in der zu Ende gehenden Wahlperiode: „Vielleicht wollten wir zu viele Dinge gleichzeitig vorantreiben, während in der Bevölkerung eine gewisse Reformerschöpfung herrscht“, meinte der Kommissar. Allerdings habe es dazu keine Alternative gegeben, weil mehrere Krisen gleichzeitig gemanagt werden mussten. „Doch es ist ein Problem, dass Politik in der EU meist nur unter Druck funktioniert. Viele Entscheidungen könnten früher getroffen werden, gelingen aber erst fünf Minuten vor Toresschluss, was der Qualität der Beschlüsse nicht immer guttut.“ Die Bilanz der Kommission sei aber gut.
Foto: EU-Kommission in Brüssel (Archiv) [dts]