Die SPD-Abgeordnete Anke Hennig ist nach einer Rede im Bundestag zum Selbstbestimmungsgesetz Ziel einer Hasswelle geworden. „Ich habe erzählt, dass sich in der Tagespflege bei mir einmal ein Kind vorgestellt hat mit den Worten: Mein Name ist Lara, ich bin aber eigentlich ein Junge“, sagte Hennig dem „Spiegel“. „Die Rede hat Ex-`Bild`-Chef Julian Reichelt in seinem Kanal aufgegriffen. Auf die Sendung folgte eine Welle von Hass gegen mich.“
Sie habe hunderte Kommentare dazu gesehen, so Hennig. „Ich dürfe nicht mehr auf Kinder losgelassen werden, ich sei die Schande der Nation, ich müsse mich vor Gott verantworten. Oder dass ich Kinder indoktrinieren würde, damit sie trans werden.“
Der Hass löse viel in ihr aus, so Hennig. „Wenn mir Leute schreiben, ich solle nicht mehr mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, ärgert mich das. Das war immerhin jahrelang mein Beruf und ich habe ihn mit Leidenschaft gemacht.“ Wahrscheinlich habe sie im Leben mehr für junge Menschen eingesetzt „als die Leute, die solche anonymen Kommentare im Internet schreiben“, sagte sie.
„Manchmal bin ich nur noch verzweifelt“, so Hennig. „Ich habe immer versucht zu vermitteln, wie wichtig dieses Gesetz ist. Aber egal, wie sehr man sich bemüht: Bei manchen kommt das einfach nicht an. Die wollen es schlicht nicht sehen.“
Das kürzlich im Bundestag verabschiedete Selbstbestimmungsgesetz ersetzt das mehrmals durch Urteile des Bundesverfassungsgerichts entschärfte Transsexuellengesetz. Künftig sollen Geschlechtseinträge und Vornamen bereits durch eine Erklärung gegenüber dem Standesamt geändert werden können. Dies muss drei Monate im Voraus angemeldet werden und kann höchstens einmal jährlich durchgeführt werden. Für Unter-14-Jährige soll nur der gesetzliche Vertreter die Erklärung abgeben können, und auch Über-14-Jährige benötigen die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters. Stimmt dieser nicht zu, soll das Familiengericht die Zustimmung ersetzen können.
Wer in schädigender Absicht gegen das Persönlichkeitsrecht verstößt, soll mit Bußgeldern geahndet werden können. Nichtbinäre und intergeschlechtliche Personen sollen auf Wunsch für Reisen ins Ausland aus Sicherheitsgründen auch binäre Geschlechtseinträge im Reisepass erhalten können. Anders als im vorherigen Gesetzesentwurf wurde eine automatisierte Datenübermittlung an Sicherheitsbehörden gestrichen.
Von Trans-Organisationen wird kritisiert, dass auch im Selbstbestimmungsgesetz auf das Hausrecht verwiesen wird. Auch die Regelung, dass künftig transgeschlechtliche Frauen im Verteidigungsfall unter Umständen eingezogen werden sollen, stößt auf Kritik.
Foto: Anke Hennig (Archiv) [dts]