Der polnische Sejm debattiert am Donnerstag über eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts. Die Parteien der Regierungskoalition haben dem Parlament dazu insgesamt vier unterschiedlich weitgehende Gesetzesentwürfe zur Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen vorgelegt.
In Polen sind Schwangerschaftsabbrüche seit 2020 nahezu vollständig verboten. Es drohen für die durchführenden Ärzte Gefängnisstrafen von bis zu drei Jahren. Erlaubte Gründe für einen Abbruch sind lediglich eine nachgewiesene Vergewaltigung oder Inzest (je bis zur zwölften Schwangerschaftswoche) sowie eine Gefahr für das Leben der Schwangeren.
Dennoch bleibt auch in diesen Fällen Schwangeren häufig der Zugang zu der Maßnahme verwehrt: Im vergangenen Jahr hatte der Fall einer 14-Jährigen für Aufsehen gesorgt, der nach einer Vergewaltigung von mehreren Kliniken eine Abtreibung verwehrt wurde. Nach dem Tod einer 33-Jährigen an einer Blutvergiftung, der zuvor eine Abtreibung verwehrt worden war, gingen im Sommer zahlreiche Polen auf die Straße.
Die Teillegalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen war eines der zentralen Versprechen von Ministerpräsident Donald Tusk bei den Parlamentswahlen im vergangenen Jahr. Während Tusks konservative Bürgerkoalition und die Linke in ihren Gesetzesentwürfen für eine legale Abtreibung bis zur 12. Woche werben, ist der dritte Koalitionspartner, der christdemokratisch-liberale „Dritte Weg“, für eine Rückkehr zur Rechtslage vor 2019, nach der Schwangerschaftsabbrüche auch bei schweren Erkrankungen und Entwicklungsstörungen des Fötus legal waren. Zudem soll der Zugang zu Verhütungsmitteln erleichtert werden. Für den Fall, dass die Entwürfe scheitern, setzt die Linke auf eine Strafbefreiung.
Die oppositionelle Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) will gegen die Liberalisierung stimmen und verurteilte die Entwürfe scharf. Der PiS-Abgeordnete Dariusz Matecki etwa zeigte Transparente und spielte während Vorstellung des Gesetzesentwurfs der Bürgerplattform eine Audiodatei ab, die den Herzschlag eines Fötus darstellen sollte. Ihm antwortete die Abgeordnete Monika Rosa vom Rednerpult: „Sie werden niemals schwanger sein.“
Trotz ihrer Stimmminderheit im Parlament spielt die häufig als nationalkonservativ und rechtsradikal eingestufte PiS eine große Rolle: Der ihr nahestehende polnische Präsident Andrzej Duda könnte eine Reform mit einem Veto verhindern. Parlamentspräsident Szymon Holownia vom „Dritten Weg“ brachte daher auch ein Referendum ins Spiel.
Die Debatte wurde durch zivilgesellschaftliche Akteure eng begleitet. Aktivisten wiesen im Plenum darauf hin, dass polnischen Frauen seit der Verschärfung des Abtreibungsrechts Kosten in Höhe von rund 50 Millionen Zloty, umgerechnet etwa 12 Millionen Euro, für Abtreibungspillen und Reisen für Abtreibungen im Ausland entstanden seien. Einer Organisatorin der wochenlangen Frauenstreiks wurde der Zutritt zur Parlamentstribüne untersagt.
Foto: Fahne von Polen (Archiv) [dts]