Erstmals reicht eine internationale Gruppe von Menschenrechtsorganisationen Beschwerde gegen Bayer wegen Verstoßes gegen die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen ein. Wie der RBB berichtet, geht es im Beschwerdetext um die Verantwortung des Konzerns für den Einsatz von Glyphosat und Gen-Soja.
Der Beschwerde zufolge habe Bayer die Risiken, die der Anbau von Gen-Soja und der Einsatz von Glyphosat mit sich bringen, nicht ausreichend analysiert und keine angemessenen Maßnahmen zur Vorbeugung möglicher Schäden ergriffen. Dies sei jedoch, so die Beschwerdeführer aus Bolivien, Paraguay, Argentinien und Brasilien, in den OECD-Leitsätzen von 2011 vorgesehen. Bayer erklärte dazu auf Anfrage des RBB, dass der Konzern die Anwendung der Produkte durch „umfangreiche flankierende Maßnahmen“ begleite. Bei sachgemäßem Gebrauch der Produkte des Konzerns würden „weder Menschen noch die Umwelt einem inakzeptablen Risiko ausgesetzt“.
Die Vorwürfe beziehen sich unter anderem auf umfangreiche gesundheitliche Schäden durch Glyphosat, denen Anwohner von Sojaplantagen ausgesetzt sein sollen: mehr Schlaganfälle und Atemwegserkrankungen, höhere Krebsraten, Knochenerkrankungen. Bayer erklärte dazu, dass die beschriebenen Fälle dem Konzern nicht bekannt seien und auch nicht zum „Produkt- und Sicherheitsprofil von Glyphosat, welches eines der am besten untersuchten Pflanzenschutzmittel weltweit“ sei, passen würde.
Die Menschenrechtsorganisationen kritisieren auch die ökologischen und sozialen Folgen des massiven Anbaus von Gen-Soja in Argentinien, Brasilien, Bolivien und Paraguay. Der Beschwerde zufolge habe der massenhafte Anbau von Gen-Soja zu jährlichen Abholzungen in der Größe von Rheinland-Pfalz geführt. Außerdem seien Kleinbauern von ihren Flächen vertrieben worden, was in den ländlichen Regionen Ernährungskrisen zur Folge gehabt habe. „Indigene Gemeinden können dann oft nicht mehr genug anbauen und müssen sich Nahrungsmittel am Markt besorgen, für die ihnen das Geld fehlt. Das übersetzt sich dann in eine klare Verletzung ihrer Menschenrechte, also das Recht auf Nahrung oder das Recht auf Land“, sagte Christian Schliemann-Radbruch von der Menschenrechtsorganisation ECCHR, die gemeinsam mit Misereor und vier südamerikanischen Organisationen die Beschwerde einreicht.
Weitere Konsequenzen des kombinierten Anbaumodells aus Gen-Soja und Pestizideinsatz sei die Verschmutzung von Gewässern und eine langfristige Kontamination von Böden. Die Folge: Pflanzen, die nicht glyphosatresistent sind, gingen ein, so die NGOs.
Bayer teilte dazu mit: „Für die Rahmenbedingungen der Landwirtschaft in den verschiedenen Ländern sind die jeweiligen staatlichen Behörden zuständig.“ Die Konsolidierung der Landwirtschaft erfolge weltweit „unabhängig von genmodifiziertem Saatgut“.
Die Beschwerdeführer werden die Vorwürfe auf der Hauptversammlung der Bayer AG am Freitag vortragen. Da Bayer in Deutschland ansässig ist, muss jetzt eine Abteilung des Bundeswirtschaftsministeriums die OECD-Beschwerde prüfen. Wird die Beschwerde zugelassen, wird ein Mediationsverfahren eingeleitet, in dem der Konzern und die NGOs sich auf Maßnahmen zur zukünftigen Schadensbegrenzung einigen sollen. Juristische Konsequenzen hat ein Verstoß gegen die OECD-Leitsätze nicht.
Foto: Bayer (Archiv) [dts]