Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat die Regierungskoalition dazu aufgefordert, den Mindestlohn entsprechend einer ab November gültigen EU-Richtlinie anzuheben. „Diese Richtlinie ist bis kommenden November in nationales Recht umzusetzen und nennt als Richtwert für einen armutsfesten Lohn 60 Prozent des mittleren Einkommens“, sagte DGB-Vorstand Stefan Körzell dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Samstagausgaben). In Deutschland müsse der Mindestlohn damit bei mindestens 14 Euro liegen.
Gemäß der Mindestlohnrichtlinie müssen die EU-Mitgliedstaaten Indikatoren und entsprechende Referenzwerte verwenden, um die Angemessenheit des gesetzlichen Mindestlohns zu beurteilen. Die Richtlinie nennt dabei mehrere Optionen, darunter die Möglichkeit, den Bruttomindestlohn auf 60 Prozent des mittleren Bruttolohns festzusetzen.
SPD-Chef Lars Klingbeil hatte kürzlich die Mindestlohnkommission, in der Körzell Mitglied ist, dazu aufgefordert, eine deutliche Erhöhung der gültigen Lohnuntergrenze vorzuschlagen. Körzell sagte dazu, zuletzt hätten sich die Gewerkschaften in der Kommission für neue Verhandlungen stark gemacht, um die Lücke zwischen den aktuell geltenden 12,41 Euro und den „eigentlich angebrachten 14 Euro“ zu schließen. Turnusgemäß würde sonst erst Mitte des Jahres 2025 wieder über eine Erhöhung beraten werden, die dann frühestens ab dem 1. Januar 2026 gelte. „Das würde bedeuten, dass die Mindestlohnempfänger für die nächsten 1,5 Jahre von der allgemeinen Lohnentwicklung abgekoppelt wären“, sagte der DGB-Vorstand.
Kritik an Klingbeils Vorstoß äußerten dagegen die Unionsfraktion und die FDP. „Lars Klingbeil darf sich selbstverständlich darüber ärgern, dass die Mindestlohnkommission ihren Job macht“, sagte stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP, Lukas Köhler, dem RND. „Der SPD-Vorsitzende sollte aber nicht den Eindruck erwecken, die Tarifautonomie durch seine Einmischung in die unabhängige Lohnfindung aushöhlen zu wollen.“ Die Arbeit der Mindestlohnkommission müsse auch künftig frei von politischer Einflussnahme bleiben.
Unionsfraktionsvize Hermann Gröhe hatte dem RND gesagt, eine Erhöhung des Mindestlohns sei „Sache von Gewerkschaften und Arbeitgebern im Rahmen der Mindestlohnkommission“. Mit Klingbeils Vorstoß trete nun ein, wovor die CDU/CSU stets gewarnt hätten, so Gröhe. „Die SPD betreibt die Politisierung der Lohnfindung und entmachtet damit die Tarifpartner.“
Im vergangenen Jahr hatten die Arbeitgebervertreter gemeinsam mit der Vorsitzenden der Kommission erstmals gegen die Stimmen der Arbeitnehmervertreter eine Erhöhung des Mindestlohns um lediglich 41 Cent empfohlen. Letztere hatten eine Erhöhung auf 14 Euro angestrebt. Streitpunkt in den Verhandlungen war der Umgang mit der vorangegangenen Erhöhung des Mindestlohns durch die Ampelkoalition auf 12 Euro sowie die Inflation, die deutlicher gestiegen war als die Tarifabschlüsse Schritt halten konnten.
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