Die Bundesanwaltschaft hat am 26. März vor dem Staatsschutzsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg Anklage gegen einen syrischen Staatsangehörigen erhoben, der Teil einer regimezugehörigen syrischen Miliz sein soll. Der Angeschuldigte sei der Begehung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Kriegsverbrechen gegen Personen und gegen Eigentum in 21 Fällen hinreichend verdächtig, teilte der Generalbundesanwalt am Mittwoch mit. Die zur Last gelegten Verhaltensweisen erfüllten zum Teil auch Tatbestände nach dem Strafgesetzbuch, hieß es.
Der Angeschuldigte habe in der Zeit von 2012 bis 2015 als Mitglied einer in die „National Defence Forces“ eingegliederten „Shabiha-Miliz“ im Damaszener Stadtviertel At-Tadamon agiert, heißt es in der Anklageschrift. Im Auftrag des syrischen Regimes habe diese Miliz die Aufgabe gehabt, zusammen mit der Abteilung 227 des syrischen Militärischen Geheimdienstes oppositionelle Bestrebungen in At-Tadamon gewaltsam zu unterdrücken. „Dort töteten am 16. April und 16. Oktober 2013 Mitglieder der Abteilung 227 im Rahmen von Massenexekutionen mindestens 47 Zivilisten“, so die Bundesanwaltschaft.
Dem syrischen Staatsangehörigen wird vorgeworfen, mit seiner Miliz Checkpoints in At-Tadamon betrieben zu haben. „Dort und an anderen Orten im Stadtviertel nahm die Gruppierung regelmäßig Personen willkürlich fest, um von diesen oder deren Angehörigen Gelder zu erpressen, sie zu Zwangsarbeit zu verpflichten oder sie zu foltern“, heißt es in der Anklageschrift. „Der Angeschuldigte beteiligte sich persönlich an der Misshandlung von Zivilpersonen. Bei einem Vorfall im Jahr 2013 schlug er einen von der Miliz festgenommenen Mann ins Gesicht und instruierte weitere Mitglieder der Gruppierung, den Gefangenen über Stunden hinweg brutal mit Plastikrohren zu traktieren.“
Im Herbst 2014 soll er gemeinsam mit anderen Milizionären und Mitarbeitern des syrischen Militärischen Geheimdienstes an einem Checkpoint vielfach auf einen Zivilisten eingetreten und eingeschlagen haben. „Der Angeschuldigte packte das Opfer an den Haaren und knallte seinen Kopf auf den Bürgersteig“, so der Generalbundesanwalt. „Sodann fesselte er den Mann, bevor dieser von der Miliz abtransportiert wurde.“
Zwischen Dezember 2012 und Sommer 2014 soll der syrische Staatsangehörige bei insgesamt neun Gelegenheiten an verschiedenen Checkpoints in At-Tadamon zahlreiche Zivilisten gefesselt haben und diese jeweils für mehrere Stunden gezwungen haben, Sandsäcke an die nahegelegene Front zu transportieren, so der Vorwurf. Dort sollen die Gefangenen unter wiederholtem Beschuss und ohne Versorgung mit Nahrung und Wasser gearbeitet haben. „Zum Teil wurden sie von dem Angeschuldigten oder anderen Milizangehörigen misshandelt“, so die Anklageschrift.
In einigen Fällen soll ihnen der Angeklagte Bargeld und Mobiltelefone abgenommen und diese für sich behalten haben. Darüber hinaus soll sich der Angeschuldigte oder auf sein Geheiß dessen Familienangehörige und andere Milizionäre noch bis einschließlich November 2015 in diversen Fällen an Waren aus Geschäften im Stadtviertel bedient haben, ohne dafür zu bezahlen.
In der Anklageschrift heißt es, spätestens seit Ende April 2011 sei das Regime in Syrien mit zunehmend brutaler Gewalt gegen Kritiker im Land vorgegangen. Den syrischen Geheimdiensten sei dabei eine wesentliche Rolle zugekommen. „Das Ziel war es, die damalige Protestbewegung mit Hilfe von Sicherheitskräften bereits zu einem möglichst frühen Zeitpunkt zu unterbinden und die Bevölkerung einzuschüchtern“, so die Bundesanwaltschaft. „Hierzu wurden überall im Land tatsächliche oder vermeintliche Oppositionelle ohne Rechtsgrundlage festgenommen, inhaftiert, gefoltert und häufig getötet. Anfang 2012 weiteten sich die Spannungen in Syrien zu einem großflächigen Bürgerkrieg aus, bei dem sich insbesondere die staatlichen syrischen Kräfte und bewaffnete oppositionelle Gruppierungen bekämpften.“
Der syrische Staatsangehörige war am 2. August 2023 festgenommen worden und befindet sich laut Generalbundesanwalt weiterhin in Untersuchungshaft. Grundlage hierfür sei zunächst ein Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 26. Juli 2023 gewesen, der mit Beschluss vom 25. Januar 2024 neu gefasst worden sei.
Foto: Generalbundesanwalt (Archiv) [dts]