Die Einführung des 29-Euro-Tickets in Berlin hat scharfe Kritik ausgelöst – vor allem aus Bayern. Der Freistaat ist größter Geldgeber im Länderfinanzausgleich, Berlin gehört zu den Ländern, die traditionell den größten Zuschuss aus dem Solidartopf bekommen. Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU), aber auch das FDP-geführte Bundesverkehrsministerium sehen wegen Berlins Alleingang sogar das Deutschlandticket in Gefahr.
„In Bayern können wir das Angebot im ÖPNV nur mit einem tiefen Griff in die Staatskasse aufrechterhalten, während Berlin als Hauptempfänger des Länderfinanzausgleichs mit bayerischem Geld einen Gesamtrabatt für alle Fahrgäste finanziert“, sagte Bernreiter dem „Tagesspiegel“. Das sei nur schwer nachvollziehbar und alles andere als nachhaltig. „So etwas geht letztlich auch auf Kosten des Deutschlandtickets. Da ist es kein Wunder, dass wir uns Gedanken über eine Neuordnung des Länderfinanzausgleichs machen.“
Michael Theurer (FDP), Parlamentarischer Staatssekretär im Verkehrsministerium und Bahnbeauftragter der Bundesregierung, sieht das Deutschlandticket ebenfalls in Gefahr. Es biete die Chance, „komplexe Tarifsysteme radikal zu vereinfachen und Strukturen in den Verkehrsverbünden zu verschlanken“, sagte Theurer dem „Tagesspiegel“. Regionale Konkurrenzprodukte wie das Berliner 29-Euro-Ticket konterkarierten diese Ziele.
Das 29-Euro-Ticket war das zentrale Wahlkampfthema für die Berliner SPD vor der Wiederholungswahl 2023. Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) entgegnete der Kritik: „Ein Euro pro Tag: Damit wird Berlin bundesweit zum Vorreiter für bezahlbare Mobilität.“ Das bundesweite 49-Euro-Ticket sei hingegen für manche Menschen zu teuer.
Für den Bahnbeauftragten der Bundesregierung schlägt das Argument der Wirtschaftssenatorin fehl. „Es wäre dem Land Berlin unbenommen, das Deutschlandticket als Sozialticket vergünstigt abzugeben. Das wäre am Ende für Berlin wahrscheinlich sogar günstiger“, sagte Theurer.
Foto: Das 29-Euro-Ticket war das zentrale Wahlkampfthema für die Berliner SPD vor der Wiederholungswahl 2023 (Archiv) [dts]